KooperativerRaum.at

Architektur Stadt Land Gesellschaft

foto christiane struck creative commons by nc sa

UngeWOLLt

22 Kommentare

„Bunt ist besser als grau!“ – und , hast du’s nicht gesehen, ist wieder ein Mast eingestrickt. Oder ein Bäumchen. Graffiti-Sprayer müssen vor Gericht, Strick-Aktivistinnen dürfen nach Lust und Laune den öffentlichen Raum verschönern.

Samt stolz präsentierter Visitenkarte: geWOLLt. Fragt man Salzburger Geschäftsleute in direkter Nähe zum seit Monaten durch einen Patchwork-Strickschlauch behübschten Mast am Franz-Rehrl-Platz, was sie davon halten, hört man allseits das Gleiche: „ Wir finden das gut – bunt ist besser als grau!“ Und: „Solange sie nicht unansehlich werden oder kaputtgehen, sollen die Einstrickungen ruhig hängen bleiben.“ Auf Nachfrage beim Magistrat, nach welchen Kriterien entschieden werde, was an Guerilla-Kunst in der Salzburger Altstadt entfernt oder belassen werde, hört man vom entscheidungstragenden Beamten, daß alles Textile doch grundsätzlich positiv, weil warm und weich sei, und somit besser als nackter, kalter Beton, daß die Strickereien ja außerdem auch keinen Schaden anrichten und daß somit kein Bedarf bestehe, sie zu entfernen. Kunst im öffentlichen Raum- do it yourself. So konzept- und wahllos, so bar jeden ästhetischen Gespürs können die Strickereien offensichtlich gar nicht sein, daß sie von den farbhungrigen Salzburgern nicht als positive Dekoration empfunden werden. Hätte meine Großmutter vor 20 Jahren schon gewußt, daß sie das graue Salzburg nach Lust und Laune umgestalten darf, hätten meine Familie heute einige häßliche Resterldecken weniger, unsere Weltkulturerbestadt aber viele textil gestaltete Ecken mehr.

mix 02-03 2014 104
________
Autorin
Mag. Alexandra Gruchmann
Radiofabrikantin, Salzburg
www.radiofabrik.at

_______
foto christiane struck creative commons by nc sa
foto 2 alexandra gruchmann

______
ein weiterer Beitrag zu diesem Thema

22 Kommentare zu “UngeWOLLt

  1. Ob geWollt oder nicht, über keine andere Strömung der Street Art wurde im letzten Jahr so viel diskutiert wie über das Einstricken von Masten, Bäumen und was weiß ich noch was. Obwohl der Hype ums „Wool graffitying“ oder „Urban Knitting“ schon etwas abflaut, gibt es immer noch viele Menschen die es regelrecht als Sport betreiben. Frei nach dem Motto: .„Ich habe die Laterne vor meiner Nachbarin eingestrickt“.
    Die Menschen scheinen diese Art von Street Art eher zu tolerieren als z.B. „normales“ Graffiti, Paste-Ups usw.
    Vielleicht kommt das daher, dass die „Künstler“ beim Urban Knitting aus verschiedenen Altersgruppen und Bevölkerungsschichten kommen oder auch daran, dass die Kunstwerke jederzeit wieder entfernt werden können ohne jegliche Art Rückstände zu hinterlassen.
    Aber:
    Nur weil es bunt ist und die Leute nicht stört, scheint mir eine magere Existenzberechtigung zu sein.
    Ich glaube es geht dabei darum, dass sich die Menschen mit ihrer Stadt/ihrem Ort identifizieren möchten. Und das geht leichter wenn man bei der Außenraumgestaltung mitgewirkt hat bzw. jemanden kennt der das getan hat.

  2. Ich kann gut nachvollziehen, warum für viele Menschen diese Strickereien nicht als so bedrohlich angesehen werden. Stoff ist einfach weich und wirkt meistens lieblich. Außerdem ist es ein „relativ neues“ Phänomen. Graffiti sieht man sehr häufig, während eingestrickte Bäume oder Masten nicht in so großer Zahl anzutreffen sind.

    Weiters kommt eben noch der Faktor dazu, dass es nicht endgültig wirkt. Wenn ich daran vorbei fahre, denke ich bei mir selbst oft, dass es warscheinlich nur vorübergehend ist und dann wieder weg kommt. Es hat etwas von Kleidung, die an und ausgezogen werden kann. Eine Hülle, die vorübergehend etwas verändern soll.

  3. Pingback: Urban Knitting / Guerilla Knitting | KooperativerRaum.at

  4. Ich habe mit meinen Schülerinnen in Textilem Gestalten das „urban knitting“ zu dem Thema der temporären Veränderung des Innenraumes des Schulgebäudes aufgegriffen und thematisiert. Es entwickelte sich zum Selbstläufer. Während wir das Schulgebäude genau inspiziert und über die Raumwirkung und Farbgestaltung diskutiert haben, wurde das „urban knitting“ auch von anderen Lehrerinnen für Textiles Gestalten aufgegriffen und mir kommt vor, es wurden wahllos Teile wie der Stiegenhandlauf und ähnliches umstrickt und umhäkelt. Sogar andere Lehrpersonen und auch Omas und Mamas haben dann mitgewirkt und es kamen viele positive Reaktionen zur „Aufhübschung“ von Lehrerkollegen und Lehrerkolleginnen, aber auch seitens der SchülerInnen fand das „Schulverschönern“ großen Anklang.
    Der kalte Betonbau wurde ein wenig freundlicher und das bisschen Farbe trägt ein wenig zum Wohlfühlen bei.

  5. Ich glaube, dass Strick oder Wolle von den Menschen wesentlich positiver aufgenommen werden als Graffiti. Neben der Weichheit des Materials und dessen Nicht-Endgültigkeit (obwohl Graffitis genauso übermalt werden können) wird auch ein Strom an Emotionen und Assoziationen in Gang gesetzt, der durch die gestrickten oder gehäkelten Fleckchen ausgelöst wird. Betrachtet man die Strickarbeiten genauer, fühlt man sich an Omas Strickdeckchen in positiven Sinn erinnert. Damit einher gehen Gefühle und Begriffe wie Tradition, Heimat oder auch das Ursprüngliche.
    Zusätzlich ist das mediale Bild des „urban“ oder „guerilla knittings“ weitaus weniger negativ besetzt, als jenes der Graffiti-„Künstler“. Mit Graffiti verbindet der Großteil der Menschen etwas Illegales und Kriminelles.
    Vielleicht ist das mit ein Grund, weshalb das „Knitting“ als „Streetart“ weitaus mehr Verständnis und Anklang findet als etwa das Graffiti.
    Für Viele bekommt die anonyme (Groß) Stadt durch das Umstricken von Gegenständen im öffentlichen Raum eine persönliche Note und wird somit ein Stück weit „wohnlicher“. Die bunten Strickereien aus dem weichen und sanften Material bilden dabei einen Kontrast zu den oft harten und kantigen Formen der Städte.

  6. Vielleicht könnte es auch sein, dass diese Art von Stadt-Gestaltung als großteils positiv angenommen wird, weil es durch die Materialität und Struktur eine Assoziation mit natürlichen Elementen der Umgebung aufwirft. So kann die Bedeckung von kahlen, kalten Laternenmasten mit der weichen, bunten Wolle ein Versuch sein, die Natur in der Stadt aufleben zu lassen. Wie viele kleine Pflanzen, die sich ihren Weg durch den leblosen Beton bahnen…

  7. Urbanes Stricken

    Die Realität wegzuhäkeln, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Waren Sie schon einmal in Berlin, in Hamburg, wenigstens in Frankfurt? Dann sind Sie ihnen vielleicht begegnet, die Urbanen Stricker mit ihren Nadeln und Knäueln von Wolle, Wolle in allen Farben des Regenbogens, nicht einmal das modisch verwirrteste Schaf möchte auch nur ein Strähnchen davon tragen.

    Die Urbanen Stricker umhäkeln Verkehrsschilder, bestricken Parkscheinautomaten, setzen Pollern bunte Mützchen auf. Auf das nahbare Symbol der Obrigkeit im öffentlichen Raum sind sie fixiert, je aufrechter, desto besser. Die Urbanen Stricker sind die Schrebergärtner unter den Revolutionären. Sie mühen sich ab an den kleinen Dingen, was sie hervorbringen, ist klein in jeder Hinsicht, kleinlich, kleinkariert und kleinlaut. Es ist politisch unwesentlich, künstlerisch belanglos, es tut niemandem weh. Verkehrsschild, Parkscheinautomat, Poller verschwinden in einem den Urbanen Strickern gefälligen Kleid. Und weichen keinen Millimeter.

    Die im Urbanen Stricken latente Dekonstruktion des kryptophallokratischen Charakters symbolbeherrschender Funktionseinheiten öffentlicher Verwaltung bleibt den Urhebern solcher Handarbeiten meist vollständig verborgen. Urbanes Stricken kostet wahrlich wenig, an Geld, an Mut, an subversivem Geist. Urbanes Stricken ist seriell, fad und überholt.

    Die Menschen haben mit Wolle schon viel Unsinn angerichtet. Wenn es ihnen nicht gelingt, den Urbanen Strickern endlich das Handwerk zu legen, werden wir das Recht an unserer Wolle zurückfordern. Dann wäre es bald vorbei mit anschmiegsamen Lammwollpullis, wärmenden Wollplaids und kunstfertig geknüpften Wollteppichen. Eine Welt der synthetischen Fasern wäre dann – doch wer möchte darin leben?

    Arthur Schaf + Brigitte Hausmann

    • Vielen Dank an Arthur Schaf und Brigitte Hausmann für diesen Kommentar, ich war ob der starken Behübschungs-Akzeptanz der anderen Kommentare schon ein wenig verzweifelt!!

  8. Ich denke nicht, dass bei den oberen Kommentaren eine „Behübschungs-Akzeptanz“ im Vordergrund steht. Ich sehe es mehr als einen Versuch zu Verstehen, warum sich manche Menschen so intensiv mit dem Einstricken von Gegenständen im öffentlichen Raum beschäftigen. Ist ja immerhin ein sehr zeitintensives Hobby.

  9. Es ist genau das WARUM, das auch mich ganz besonders interessiert! Du schreibst :“Ich glaube es geht dabei darum, dass sich die Menschen mit ihrer Stadt/ihrem Ort identifizieren möchten. Und das geht leichter wenn man bei der Außenraumgestaltung mitgewirkt hat bzw. jemanden kennt der das getan hat.“ Vielleicht ist das für Einzelne ja tatsächlich so, aber ist es wünschenswert und tragbar, daß jedermann durch persönliche „künstlerische“ Eingriffe unser aller Außenraum mitgestaltet ? Graffitti-Sprayer, (denen ich einen derartigen Identifikationsprozeß noch am ehesten unterstelle), werden genau dafür verdammt! Wer entscheidet, was von diesen Außenraumgestaltungen akzeptabel ist und was nicht?
    Ich bin eine leidenschaftliche Textilerin und sehr dafür, daß QUALITÄTVOLLE Textilkunst mehr und mehr im privaten und öffentlichen Raum vorkommt und wahrgenommen wird. Qualitätvoll bedeutet aber, mit einem dahinterliegenden Gedanken. Viele der Einstrickungen scheinen für mich eher nach dem „just do it“-Prinzip, „egal was, Hauptsache dass“, zu entstehen. Ich finde Baumstämme schön, wozu brauchen sie ein Mäntelchen? Ich kann auch Sichtbeton viel abgewinnen und bin nicht der Meinung, dass alles, was glatt, grau und kalt ist, keinen ästhetischen Reiz hat. Wenn man jeden grauen Masten verstecken muß, was ist dann mit den vielen häßlichen Wärmeisolierungs-Fassaden, die z.b. meinem Auge weh tun? Wann werden die endlich eingestrickt?
    Natürlich gibt es viel schlechte Design und dazu kann durchaus der Handlauf eines Geländers in einer Schule zählen, aber warum schlechtes Design mit unreflektierter und somit noch schlechterer textiler Umhüllung abdecken, statt darüber nachzudenken, was man daran tatsächlich verbessern könnte ? Was mich an der Guerilla-Strickerei stört, ist die lemmingartige Oberflächlichkeit, mit der sie betrieben wird. Eine kritische Auseinandersetzung mit unserer Stadtgestaltung (und der Gesellschaft, die sie beherbergt), wie sie ständig innerhalb dieses blogs geschieht, ist hingegen absolut wünschenswert !!!
    Was im übrigen den hohen Zeit und Materialaufwand des „Hobbys“ Guerilla-Stricken angeht kann ich Arthur Schaf nur zustimmen: welch Verschwendung!! Gestrickte Wolldecken für all die Obdachlosen und Bettler in unserer Stadt hätten den ganzen Winter lang schon viel mehr Sinn gehabt als all die Hülsen für Pfeiler und Bäume.

  10. Liebe Alexandra, ich kann dir in dem Punkt, dass diese textilen Aktionen in reflektiertem Kontext mehr Sinn ergeben (oder auch nur?!?) auf jeden Fall zustimmen. Dass auch Beton seinen Reiz haben kann, will ich nicht abstreiten.
    Unter dem Aspekt, dass kalter Beton oder andere individuell nicht akzeptierte Architekturkreationen durch eine Art Guerilla-Aktion eingestrickt werden, um ein Missfallen kundzutun, denke ich, dass ein Material wie Wolle wenig Schaden anrichtet, aber dennoch ein Statement sein kann.
    Vielleicht brauchen die Strick-Begeisterten ja jemanden wie dich, der ihrer ‚Kreationswut‘ einen kontext-gebundenen/ durchdachten, aber nichtsdestotrotz lustvollen Rahmen gibt!?

  11. Ich stimme J. Jordan zu, dass viele Menschen die verstrickten Dinge als etwas Positives ansehen, da sie als „harmlos“ betrachtet werden. Eine „nette“ Sache hald (was sie für mich ja durchaus ist), wohingegen Graffiti sehr negativ konnotiert ist. Von klein auf wird man von den Erwachsenen mit dem Gedanken von Graffitti als etwas Schmutziges und Illegales konfrontiert- Man hört davon immer nur in Verbindung mit dem „Klassenclown“, der wieder einmal „Mist gebaut“ und in der Nacht die Wände im Schulhof beschmiert hat.
    Ich denke ebenso wie du, Alexandra, dass sich viele Menschen nur an der Sache beteiligen, um „Kunst gemacht“ zu haben und die Intention wohl nur auf einer extrem oberflächlichen Ebene basiert. Was es ergo fraglich macht, ob es sich bei der ganzen Geschichte dann noch um Kunst handelt…

  12. Das was ich bei dem themaverwandten Beitrag von der Fr. Fischbacher „Urban knitting/ Guerilla…“ schon angesprochen habe, muss ich auch hier wiederholen. Menschen setzten schon immer gerne Zeichen. So wie jedes andere Tier auch. Es dient als Markzeichen des Territoriums: „Hier war ich!“ Über die Schönheit und ästhetische Wirkung lässt sich streiten. Aber den mesten der „Künstler“ geht es darum nur sekundar (oder noch weiter nach hinten verschoben). Und wenn dann noch die Awards ausgerufen werden, wo jeder Künstler werden darf, nach dem Beispiel von Silke Bosbach im Jahre 2012, dann rücken noch paar andere hübsche Punkte in den Vordergrund, warum ich mich als Stricklisel oder Häckelhansel verwircklichen möchte. Aber nicht jede/r ist ein/e geborene/r KünstlerIn. So wird ein oder der andere Experiment in der Öffentlichkeit doch zum Attentat an unseren Sinnen. Was auch eigene Existenzberechtigung hat! Und manchmal sogar begeisterte Zuschauer, was mich in diesem Zusammenhang mehr zum Nachdenken bringt, als jegliche geWOLLte oder ungeWOLLte Ausdruck.

  13. Warum nicht Graffiti? Für viele ist Graffiti nicht Kunst im öffentlichen Raum, sondern eher „Verschandelung“ der Umwelt. Zugegeben, es gibt viele Schmierereien, die leider ein schlechtes Licht auf Graffiti werfen. Aber dennoch ist Graffiti Kunst, und hat mindestens genausoviel Wert wie Urban Knitting, wenn nicht sogar mehr. Beim Stricken scheint es mir nur um Verschönerung und Dekoration zu gehen. Mir geht hier aber das radikale und der Mut, etwas dauerhaftes zu schaffen ab. Die Strickereien sind ja mit einer Schere genauso schnell wieder abzunehmen, wie sie angebracht wurden.

    • Da kann ich dir nur zustimmen!! Leider weiß ich nicht, wie die Diskussion um die geplante Sperrung der Fußgängerunterführung in der Alpenstraße (Josefiau) für die Sprayer ausgegangen ist- ich fände es jedenfalls ausgesprochen traurig, wenn dieser bislang für Graffitis legale und viel genützte Ort tatsächlich auch noch eliminiert würde (statt dass man im Gegenteil zusätzlich weitere Flächen im öffentlichen Raum bereitstellt, wo diese Kunst konfliktfrei entstehen kann)!

  14. Pingback: UNGEWOLLT – es geht weiter… | KooperativerRaum.at

  15. Ich habe erst vor kurzen von Street Art mit Wolle gehört, doch seit ich es einmal mitbekommen habe, hört es gar nicht mehr auf. Ein Trend der durch die Welt geht und wo keiner so genau weiß, ob es erlaubt ist oder nicht.
    Ich persönlich finde es irgendwie eine lustige Idee. Sicher ist wird das nicht jedem gefallen, doch die Verwandlung von normalen Gegenständen zu etwas Bunt-Auffälligem finde ich irgendwie witzig. Durch unsere Routine-Wissen haben wir schon Vorstellungen, wie was aussieht und durch den Überraschungseffekt hat es einen gewissen Reiz.
    Wie schon im Artikel bereits erwähnt, stört es in Salzburg Wenige, weil die Wolle nicht schadet und etwas Dunkleres zu etwas Schönerem macht und genau dieser Ansicht bin ich auch. Deshalb finde ich es toll, dass Salzburg so offen für solche Dinge ist.
    In der heutigen Zeit, fühlt man sich gerne einmal eingesperrt und unterjocht, durch Regeln, Gesetze, etc. Wir wissen genau was wir dürfen und was nicht und wir leben manchmal einfach vor uns hin. Solche Projekte stärken Gemeinschaft, Freundschaft, Freude am Handeln und vieles mehr. Der Mensch braucht das Gefühl in der Gesellschaft etwas zu bewegen und allein durch ein wenig kreatives Gestalten einer Stadt hat er die Möglichkeit eine kleine und nette Veränderung zu bewirken.

  16. In dem Artikel „ungeWollt“ geht es um die Bewegung des „urban knittings“. Dabei werden Gegenstände im öffentlichen Raum umstrickt oder umhäkelt. Warum dieser Eingriff im Gegensatz zu anderen Kunstinterventionen im öffentlichen Raum oft stehen bleiben dürfen und nicht wieder entfernt werden, beschreibt dieser Artikel sehr schlüssig.
    Die meisten Menschen fühlen sich dadurch nicht gestört, denn diese bunten Eingriffe im Stadtraum erwecken Vertrautheit in uns durch ihre materielle Kultur. Sie strahlen Wärme aus und durch ihre Haptik werden die glatten, kahlen und kalten Gegenstände in ihre „Härte“ gebrochen und durch ihre bunten Farben erhellen sie den oft grauen Alltag.
    Ich persönlich finde es eine nette Idee, sofern das Ganze in einem gewissen Rahmen bleibt.

  17. Guerilla-Kunst ist eine Art der Stadtumgestaltung, bzw. -verschönerung. In letzter Zeit wurde diese Street-Art immer populärer und bereichert sogar teilweise unser schönes Salzburg mit mehr Farbe. Entstanden ist diese Stadtbeschmückung aus ursprünglich feministischen Bewegungen heraus, denn Frauen sollten nicht zuhause Socken und Jäckchen stricken, so wie die „perfekte Hausfrau“ das in den 50er Jahren vielleicht getan hätte. Wir leben im 21. Jahrhundert und Gleichberechtigung und Toleranz ist ein zentrales und wichtiges Thema in unserer Gesellschaft. Mit Guerilla-Kunst wollten Frauen das deutlich zum Ausdruck bringen. Heute gibt es jedoch nicht nur weibliche Anhänger, die zur Strick- oder Häkelnadel greifen. Auch Männer beteiligen sich an der Knotenkunst und schaffen mittels einfacher Wolle einige Farbkleckse in der Stadt. Banksy, der unbekannte Graffiti-Künstler hat aus vielleicht ursprünglich einer anderen Intention heraus gehandelt, aber letztendlich sind diese Kunstrichtungen sich doch sehr ähnlich. Farben und Formen werden ins geschäftige Stadtleben eingebunden und verleihen den Orten neuen Glanz und Charme. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Banksys Werke im Gegensatz zu den Strickereien etwas langlebiger sind, denn es ist wirklich schade, wenn nach einiger Zeit die bunten Flecken nicht mehr ganz so leuchtend und farbenfroh erscheinen wie zu Beginn. Wolle ist ein organisches Produkt und kann sich den Verwitterungsprozessen nicht entgegenstellen. Ich finde die Guerilla-Kunst dennoch sehr ansprechend, ich weiß, wie viel Zeit und Arbeit in noch so einem kleinen gestrickten Flecken steckt und eine ganze Brücke oder einen Baum damit einzuhüllen, erfordert sehr viel Zeitinvestment. Das Engagement, das dahinter steckt, finde ich unglaublich inspirierend – etwas für sich und gleichzeitig für die Gesellschaft zu tun, der Stadt und kleinen Orten neues Leben und Wärme zu geben – immer in dem Wissen, dass die Kunst nicht von besonders langer Dauer sein wird. Ich finde, es hat etwas von „für den Moment leben“, denn man arbeitet an einem Projekt, das gemeinsam für das Jetzt geschaffen wird – und das weltweit. Zu stricken ist ein aufwändiger Prozess, erfordert viel Konzentration und handwerkliches Geschick – es ist heutzutage „aus der Mode“ gekommen, denn wozu stricken, wenn man sich alles kaufen kann? Ich finde, Guerilla-Kunst verdeutlicht nochmals das Umdenken unserer Gesellschaft – der Trend geht immer mehr zu Self-Made und umweltbewussten Lebens. Das Stricken, das früher so selbstverständlich war und heutzutage nicht mehr viele beherrschen, wird nach und nach wieder erlernt – und daraus werden in unserer Gesellschaft, die neuen Prozessen meist sehr offen gegenübersteht, neue Ideen geschaffen, die zu kreativen Kunstrichtungen und Gestaltungsmöglichkeiten führen. Außerdem werden kulturelle Barrieren durch das gemeinsame weltweite Erschaffen von Kunst überbrückt.

  18. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich das gestrickte ‚Movement‘ nicht unbedingt als schön bezeichnen würde. Meist werden die unmöglichsten Farbkombinationen gewählt – wie neon grün und grelles orange – die von den Entwerfern als ästhetisch schön wahrgenommen werden. Doch wie wir alle wissen versteht jeder unter etwas Schönem etwas ganz Individuelles. Für die einen ist Graffiti die beste Art und Wiese um sich auszudrücken für die andere wiederum nicht. Und das ist völlig in Ordnung, aber dann stellt sich die Frage: Wieso ist es erlaubt das eine auszustellen und das andere wiederum nicht? Das ist doch nicht fair – oder?
    Die Argumente die dafür sprechen und zwar das das Gestrickte niemanden schadet und weich und farbig ist, sind nachvollziehbar, aber Argumente für etwas kann man bezüglich alles finden. Ich finde die Argument gegen etwas spielen eine viel wichtigere Rolle. Und ein klares Argument gegen das Gestrickte – meiner Seits – ist, dass es erstens Geschmackssache ist und zweitens das die einzelnen Stücke nach ein paar Tagen sehr mitgenommen aussehen. Und somit das genaue Gegenteil ihrer Mission erreichen: statt die Stadt zu verschönern, stellen sie nach ein paar Tagen ein ästhetisches Hinderniss dar.

  19. Die gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Guerilla-Knittings im Gegensatz zur Ablehnung gegenüber Graffitikunst empfinde ich als sehr spannend. Ich erkläre mir dieses Phänomen, ähnlich wie die obigen Kommentare kundtun, folgendermaßen: die Strickkunst ist durch ihre weiche, bunte wenn auch etwas schrille und oftmals unästhetische Art etwas, was sehr umgänglich ist und demnach vielleicht als „nette Ummantelung“ gesehen wird und viele vielleicht sogar zum Schmunzeln bringt. Graffitis hingegen, könnten als bedrohlich gesehen werden, da ihnen etwas Permanentes innewohnt, sie teilweise mit Vandalismus in Verbindung stehen und sie sich nicht wie der Wollmantel um etwas legen, sondern sie sozusagen eins werden mit ihrem Untergrund.
    Davon abgesehen, behandeln viele (großformatige) Graffitis gesellschaftliche Themen sozialkritisch und bespickt mit Denkanstößen. Nicht zuletzt deshalb sind sie unbeliebter als die umgänglichen Wollwerke, weil sie Fragen aufwerfen, die den Betrachter aufwühlen können. Aber ist es nicht genau das, was Kunst im öffentlichen Raum ausmacht? Dass sie auf unterschiedlichste Menschen trifft, die nicht zwingend kunstaffin sind oder sich in Museen wiederfinden, aber dennoch durch Streetart mit der Möglichkeit konfrontiert werden, an einem Dialog teilzunehmen.

Hinterlasse einen Kommentar