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Die Notwendigkeit von „Verwirbelungen“ bei der Planung und Umsetzung von bezahlbarem Wohnen in die Praxis!

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Vom 21. bis 23. Februar 2018 fand an der Katholischen Stiftungshochschule München (KSH) der Kongress „Sozialplanung im D-A-CH-Raum: Strategien und Praxis für bezahlbares Wohnen“ statt, der von der Fachgruppe „Sozialplanung International“ des VSOP (Verein für Sozialplanung e.V.) organisiert und in Kooperation mit der KSH ausgetragen wurde. An diesem Kongress haben an die 100 Sozialplaner*innen, Städteplaner*innen, Personen aus der Wohnraumversorgung und Wohnungslosenhilfe, Architekt*innen, Urbanist*innen, Sozialforscher*innen sowie Vertreter*innen der Wohnbaugenossenschaften aus den Ländern Deutschland (D), Österreich (A) und der Schweiz (CH) teilgenommen, um Handlungsmöglichkeiten und innovative Ansätze für bezahlbares Wohnen zu diskutieren.

Eröffnet wurde der Kongress mit dem Vortrag „Bedeutung der Wohnungsmärkte für ein gelingendes Leben vor Ort“ von Prof. Dr. Tilman Harlander von der Universität Stuttgart. Ausgehend von den demografischen Entwicklungen hatten die (Groß-)Städte bis vor etwa zehn bis fünfzehn Jahren eher mit einer Ab- als mit einer Zunahme der Bevölkerung gerechnet. Aus diesem Grunde wurden kommunale Wohnungspolitik bzw. Wohnungsbau lange Zeit vernachlässigt. Infolge verschiedener Entwicklungen zeigt sich nun eine steigende Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage. Prof. Dr. Tilman Harlander warnte vor zunehmender Segregation, Gentrifizierungsprozessen und einem sozialen ‚Auseinanderdriften der Stadtgesellschaften‘ – nicht zuletzt durch Gated Communities bzw. Formen ‚abgeschirmten Wohnens‘. Um diesen Entwicklungen zu begegnen und Stadtquartiere sozial und funktional vielfältiger zu gestalten, stünden Kommunen vor immensen Herausforderungen. Nötig seien „eine aktive kommunale Wohnungspolitik, die etwa durch sog. ‚Förderquoten‘ steuernd eingreift und auch den nötigen Mitteleinsatz nicht scheut, sowie eine begleitende Boden(vorrats-)politik und die Vergabe städtischer Flächen nach den besten Konzepten (‚Konzeptvergabe‘)“.

Die Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Wohnungsmarkt in österreichischen Kommunen wurde von dem Stadtsoziologen Prof. Dr. Jens Dangschat von der Technischen Universität Wien unter anderem am Beispiel der Stadt Wien und dem Modellprojekt „Seestadt Aspern“ beleuchtet. Während Deutschland im sozialen Wohnungsbau in der Regel eine Mietpreisbindung von 20 bis 25 Jahre vorgesehen ist, gibt es in Österreich keine vergleichbare Einschränkung der sozialen Bindung. Nach dem Motto: einmal gefördert, immer gebunden, kann es hier allerdings auch dazu kommen, Mietverträge „vererbt“ werden, ohne dass je eine Fehlbelegung überprüft wird.

Detaillierte Zahlen zur Armutssituation in der Schweiz legte Prof. Dr. Carlo Knöpfel von der Fachhochschule Nordwestschweiz auf der Grundlage der Studie „Wohnversorgung in der Schweiz. Bestandsaufnahme über Haushalte von Menschen in Armut und in prekären Lebenslagen“ vor, die im Rahmen des Nationalen Programms zur Prävention und Bekämpfung von Armut erstellt und vom Bundesamt für Wohnungswesen und dem Bundesamt für Sozialversicherungen finanziert wurde. Auch hier zeigt sich, dass eine ungenügende Wohnversorgung vor allem ein urbanes Problem ist und insbesondere benachteiligte Bevölkerungsgruppen (Rentner*innen, Alleinerziehende und Haushalte mit Migrationshintergrund) von ungenügender Wohnraumversorgung betroffen sind. Aufgabe der Wohnungspolitik wäre es daher, mehr (sehr) günstigen Wohnraum zu schaffen und dem Phänomen des „falschen Wohnens“ (z.B. Single-Haushalte bleiben in großen Wohnungen, Mehr-Kind- Familien leben im überbelag) durch mehr Kontrolle im Bereich des subventionierten Wohnbaus sowie der Förderung von Mobilität bei veränderten Haushaltsformen entgegenzutreten.

Die Vorträge zur Wohnungspolitik und Wohnungsmärkten im D-A-CH-Raum wurden anhand konkreter Praxisbeispiele aus Deutschland (Wohnraumversorgungskonzept für die Stadt Gießen, vorgestellt von Ines Müller, Leiterin des Amtes für soziale Angelegenheiten der Stadt Gießen), Österreich (Quartiersentwicklung Seestadt Aspern in Wien, vorgestellt durch Dr. Raimund Gutmann, Institutsleiter von wohnbund:consult, Büro für Stadt.Raum.Entwicklung) und der Schweiz („Kommunale Strategien zur Wohnversorgung für alle in der Schweiz“, vorgestellt von Prof. Tobias Fritschi von der Berner Fachhochschule und Sanna Frischknecht M.A., wiss. Mitarbeiterin am Seminar für Soziologie der Universität Basel) ergänzt. Im Ergebnis zeigt sich, dass wohnungspolitische Strategien, die auf einer fundierten Datenbasis beruhen und eine frühzeitige Einbindung aller relevanten AkteurInnen – auch regional – vorsehen, den größten Erfolg versprechen.

Der zweite Kongresstag fokussierte auf die Themen „Management und Selbstorganisation zum Wohnen im Quartier“. Als Referent*innen konnten hier die Stadtsoziologen Dr. Andrej Holm, Winfried Hammann, Vorstand der Bürgerstadt AG Berlin, und Prof. Dr. Andreas Strunk zusammen mit Ursula Strunk gewonnen werden. Während Dr. Andrej Holm in seinem Vortrag „Umgang mit destruktiven Quartierentwicklungen und Gegenstrategien“ vor allem auf die Gesetze des Marktes und das Dilemma der Ab- und Aufwertungen von Stadtgebieten am Beispiel der Stadt Berlin einging und entsprechende Gegenmaßnahmen bzw. Instrumente der Stadt seit 2016 diskutierte (z.B. Modernisierungsbeschränkungen und Genehmigungsvorbehalte beim Verkauf von Eigentumswohnungen in über 40 Stadtgebieten, Förderprogramm für Modernisierungen zur Sicherstellung von warmmietenneutralen energetischen Modernisierungen und Härtefallregelungen, Vorkaufsrechte, Zweckentfremdungsverbot, unabhängige Mieterberatung), lag der Schwerpunkt des Vortrages von Winfried Hammann auf dem Aspekt der Selbstorganisation: „Die Selbstorganisation in der Wohnungswirtschaft ist vornehmlich ein Thema der Baugruppen und Genossenschaften in den großen Ballungsräumen.

Obwohl ca. 20% der bauinteressierten Bürger sich diese Form der Sicherung von Wohnraum vorstellen könnten, ist die Wirklichkeit eine andere. Die Selbstorganisation fristet nach wie vor ein Schattendasein gegenüber den großen AkteurInnen (private wie auch zunehmend wieder staatliche) auf dem Wohnungsmarkt“. In seinem Vortrag machte er deutlich, dass auch zunehmend soziale Träger als neue AkteurInnen auf dem Gebiet der Selbstorganisation tätig sind, um für ihr Klientel Wohnraumversorgung sicherzustellen. Unter dem Slogan der Bürgerstadt AG „Bürger baut Eure Stadt“ und dem Hinweis auf zwei Modellprojekte in Berlin regte Hamann schließlich die Schaffung von Bürgerfonds (Stiftungen) an.

Eine Systematisierung der möglichen Strategien für eine angemessenere Wohnraumversorgung wurde schließlich mit dem Vortrag „Netzwerkmanagement, Kooperationsstrategien, lokale Bündnisse“ von Prof. Dr. Andreas Strunk und Ursula Strunk vorgestellt. So hängt eine soziale Wohnraumversorgung „von einer gelingenden Balance zwischen Sozialrechtsverwirklichung, Grundbedürfnisbefriedigung und Renditeerwartung ab. Diese Balance misslingt zunehmend und wohnungssuchende Haushalte vor Ort müssen das aushalten“. Daher bedarf es einer integrierten Wohnraumbedarfsplanung und „intelligenter Kooperationsprojekte“, in denen – in unterschiedlichen Kombinationen – Träger der Sozialen Arbeit z.B. durch Ausgründungen im Wohnungsbau tätig werden oder aber Wohnungs- und Bauträger Dienstleistungen der Sozialen Arbeit vorhalten. In allen Fällen kommt dem Netzwerkmanagement eine zentrale Rolle zu.

Für die in den Vorträgen angesprochenen Aspekte erfolgte im Rahmen der anschließenden Workshops eine praxisbezogene Vertiefung. So spiegelt sich der Slogan „Bürger baut Eure Stadt“ sehr gut im Workshop „Partizipative Entwicklung der Wohnbaugenossenschaft Warmbächli in Bern – wer partizipiert und für wen bauen wir eigentlich?“ wieder, der vom Sozialplaner und Projektleiter der WBG Warmbächli, Ilja Fanghänel, gestaltet wurde. Die Genossenschaft Warmbächli wurde 2013 mit dem Ziel gegründet, ein ehemaliges Lagerhaus von Tobler Schokolade in Bern zu Wohn- und Gewerberaum für innovative und gemeinschaftliche Wohnformen umzubauen. Hier wurden von Anfang an interessierte Bürgerinnen und Bürger in die Planung des Wohnprojektes eingebunden. Beim Beispiel München sind dagegen die Planungsdimensionen ungleich größer: München zieht als Metropolregion tausende Menschen an. Daher entsteht gegenwärtig das größte Münchner Bauvorhaben für ca. 25.000 neue Bewohnerinnen und Bewohner. Unter dem Titel „Die Rolle der Sozialplanung bei der Planung und Entwicklung eines neuen Stadtteils am Beispiel Freiham“ gingen Werner Nüßle und Markus Nowak vom Sozialreferat/Sozialplanung der Landeshauptstadt München auf ihre Aufgaben bei der räumlichen Sozialplanung ein. Diese erstrecken sich von der Beteiligung an der Bauplanung, insbesondere hinsichtlich der sozialen Infrastruktur (wie Nachbarschaftstreffs, Familien- und Jugendeinrichtungen, Einrichtungen für Wohnungslose sowie Alten- und Pflegeeinrichtungen) und der Berücksichtigung spezifischer Bedarfe von (benachteiligten) Zielgruppen bis hin zur Abstimmung und Koordination sozialer Netzwerke und Dienste.

Im dritten Workshop „Vernetzte Wohnungs- und Sozialpolitik in Vorarlberg“ stellten Heinz Schoibl (Gesellschafter bei Helix – Forschung und Beratung, Salzburg), Heidi Lorenzi (Institut für Sozialdienste Vorarlberg, Röthis) und Karl Ladenhauf (Amt der Vorarlberger Landesregierung, Bregenz) schließlich einen Planungsansatz vor, der sich durch eine systematische Vernetzung bzw. Verschränkung der Politikbereiche Soziales und Wohnen auszeichnet. Durch zahlreiche relevante Aspekte (z.B. Erarbeitung einer landesweit einheitlichen Vergabe geförderter gemeinnütziger Wohnungen, Gewährleistung von Ressourcen für Siedlungsarbeit im gemeinnützigen Bereich, Verbesserung des Zugangs zur Wohnversorgung für vulnerable Zielgruppen durch eingestreute Wohnungen etc.) kann dieses Vorhaben als ein gelungenes Best-Practice-Beispiel gewertet werden.

Am dritten Kongresstag ging es perspektivisch um „Innovation in Stadt- und Sozialplanung für bezahlbares Wohnen“. Hier stellte Werner Nüßle von der Landeshauptstadt München, Sozialreferat/ Sozialplanung in seinem Vortrag „Schritte zur Entwicklung lebenswerter und integrativer Quartiere – im Zusammenspiel von Sozial- und Stadtplanung“ insbesondere auf vier Aspekte ab, um ein produktives Zusammenspiel von Stadt- und Sozialplanung im Sinne lebenswerter und integrativer Quartiere zu erreichen. Unter dem Stichwort „Die Mischung macht`s – Monostrukturen verhindern!“ warnt er vor einer Konzentration sozialer Problemlagen. Die „Münchner Mischung“ aus je einem Drittel geförderten Wohnbau, freifinanziertem Wohnbau und Eigentum würde dem entgegen wirken. Da der Markt eher zu Verdrängungsprozessen und nicht zu einem Ausgleich der Interessen führt, müssen Flächen und Wohnbestände dem Markt entzogen werden. Starke kommunale Wohnbaugesellschaften und Genossenschaften mit einer möglichst langfristigen Bindung im geförderten Wohnungsbau könnten die sozialen Problemlagen entschärfen. Gewünscht wurden von ihm nicht nur eine Mischung unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen im Quartier sondern beispielsweise auch in den Gebäuden sowie eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Versorgung im Stadtteil. Als weiteren Aspekt formulierte er „Keine geschichts- und gesichtslosen Quartiere – Identität schafft Identifikation“. Dies verdeutlichte er an Negativbeispielen, bei denen Bewohner*innen nicht miteinander in Austausch kamen, die Stadtplaner*innen sich nicht für die Geschichte des Ortes interessierten und am Ende auch kein Gefühl der „Heimat“ bei den Bewohner*innen entstand. Sozial- und Stadtplanung müssen gleichzeitig in größeren zeitlichen und räumlichen Kontexten planen und über „die Grenzen von Plänen und Satzungen schauen“. Unterschiedliche Perspektiven müssen verknüpft und zu einem integrierten Handlungskonzept ausgebaut werden, wie es in der Leipzig-Charta bereits 2007 angelegt wurde.

Den Blick auf die Bedeutung des öffentlichen Raums und seiner Gestaltungsmöglichkeiten legte der Architekt und Urbanist maxRIEDER aus Wien in seinem Vortrag „Kooperative Räume in der Stadt der Zukunft – nirgendwo im Posturbanen?“. Anhand zahlreicher provokanter Beispiele machte er deutlich, dass bei der Entstehung neuer Quartiere häufig nur den einzelnen (mitunter preisgekrönten) Gebäuden, weniger jedoch den Räumen zwischen den Gebäuden Beachtung geschenkt wird. Gerade das „DaZwischen“ bzw. der „Zwicklraum“ stellt den öffentlichen Raum dar, der zu einer kreativen Nutzung durch die Bewohner*innen einladen könnte. Mit der etwas zugespitzten These „Learning from Slums“ plädiert Dr. Max Rieder für eine umfassende „Verwirbelung“ auf verschiedenen Ebenen. Nur da, wo auch ein gewisses Maß an Unordnung ist, kann auch Kreativität bzw. etwas Neues entstehen. Zu viel Ordnung bzw. System „erstickt“ Kommunikation und soziale Begegnung. Für diese „Verwirbelungen“ sind juristische Ermessensspielräume zu nutzen bzw. kooperative Räume „neu zu denken“. Um ein modernes bzw. posturbanes Verständnis von Wohnen und (öffentlichem) Raum „kalibrieren“ zu können, wäre es wichtig, Architekt*innen und Urbanist*innen als „soziale Künstler*innen“ frühzeitig in Planungsprozesse einzubinden.

Den Abschluss des dritten Themenblocks bildete der Vortrag „Gelungene Beispiele für innovative selbstorganisierte Wohnkonzepte“ von Dipl. Soz. Heike Skok. Sie ist Gründungs- und langjähriges Vorstandsmitglied einer jungen Wohnungsbaugenossenschaft, Beraterin für die Konzipierung und Entwicklung neuer Wohnkonzepte, Leiterin der Geschäftsstelle des wohnbund e.V. und Mitarbeiterin in der mitbauzentrale münchen – Beratung für gemeinschaftsorientiertes Wohnen. In ihrem Vortrag präsentierte Heike Skok ausgewählte Beispiele für innovative, selbstorganisierte Wohnkonzepte insbesondere aus München. Diese Projekte leisten einen wichtigen Beitrag zur Stadtgesellschaft: „Sie schaffen dauerhaft qualitätsvollen und preiswerten Wohnraum; stehen für bürgerschaftliches Engagement, soziale Experimentierfreude und sind Vorreiter bei der Erprobung technischer Neuerungen“.

Die Stadt München fördert diese selbstorganisierten Wohnprojekte u.a. mit der Bereitstellung von Grundstücken. Die Initiierung und Organisation von innovativen Wohnkonzepten erfolgten in unterschiedlichen Rechtsformen. Die Partizipation der künftigen Bewohner*innen bei der Planung ist eine der Voraussetzungen für den Erfolg.

Aktuell spielt die Wohnungsfrage in jeder kommunalpolitischen Diskussion eine Schlüsselrolle. Die Bandbreite wohnungspolitischer Programme und kommunaler Wohnraumförderkonzepte ist immens. Ziel des Kongresses war es, eine geeignete Plattform für den wichtigen Erfahrungsaustausch zwischen Stadtplaner*innen und Planungsverantwortlichen zu bieten.

Als Fazit aus dem Kongress kann festgehalten werden, dass eine geeignete Boden- und Wohnungspolitik auf Landes- und kommunaler Ebene notwendig ist. Es muss der politische Wille vorhanden sein, den sozialen bzw. gemeinnützig organisierten Wohnungsbau so zu fördern, dass ein echtes Gegengewicht zum privaten bzw. privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsbau entsteht und soziale Verdrängungseffekte verringert werden. Sozialplanung – auf Landes- und kommunaler Ebene – kann diese Prozesse unterstützen. Noch ist diese aber nicht in allen Kommunen und in den im D-A-CH-Raum beteiligten Ländern etabliert. Auch dazu bedarf es eines politischen Willens, der sich in entsprechenden gesetzlichen Regelungen und deren Umsetzung manifestieren sollte.

Sozialplanung und Stadtplanung sollten beim Thema „bezahlbares Wohnen“ interdisziplinär zusammenarbeiten und eine Zusammenführung ihrer jeweiligen Perspektiven während des gesamten Planungsprozesses sicherstellen. Darüber hinaus sind strategische Kooperationspartner (Architekt*innen, Urbanist*innen, Jurist*innen, Wohlfahrtsverbände u.a.) zu beteiligen. Durch die frühzeitige Beteiligung sind „Verwirbelungen“ bzw. „künstlerisch-soziale Innovationen“ möglich, die Quartiere zu lebenswerten, lebendigen und integrativen Orten werden lassen.

Gestaltungsspielräume sind auszuloten und Machtstrukturen bzw. Handlungsspielräume zu analysieren. Darüber hinaus sollten Koordinationsstellen bzw. Fachstellen für Wohnen im Wohnbauförderungsgesetz aufgenommen und entsprechend finanziert werden.

Sozialplanung versteht sich als Innovationsinstrument in der kommunalen Sozialpolitik und dabei insbesondere für Themen und Felder, die weitgehend vernachlässigt werden. Sie sieht ihre Aufgabe darin, auch über kommunale Grenzen hinaus zu denken. Eine regionale Sozialplanung (z.B. im Rahmen eines Planungsverbandes München bestehend aus München und den angrenzenden Landkreisen) aber auch eine Sozialplanung innerhalb der Wohlfahrtsverbände sind überlegenswert. Dies wären auch Anregungen für die Weiterentwicklungen im VSOP.

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Verfasserin:
Prof. Dr. Dorit Sing, Katholische Stiftungshochschule München, Campus Benediktbeuern

Mitgearbeitet haben:
Werner Riedweg MSt (Hochschule Luzern),
Heinz Schoibl Dr. phil. (Salzburg),

Dorit Sing, Prof. Dr. (KST-Hochschule München),
Andreas Strunk Prof. Dr. (F-Hochschule Esslingen)
und
Walter Werner (VSOP – Akademie Magdeburg).

Bild: maxRIEDER – „verwirbelungen“ 2008

16 Kommentare zu “Die Notwendigkeit von „Verwirbelungen“ bei der Planung und Umsetzung von bezahlbarem Wohnen in die Praxis!

  1. Ich wusste vor dem Lesen des Artikels gar nicht wie viele Personen eigentlich an einem großen Wohnparkanlagenprojekt beteiligt sind und welche Kooperationen es dabei gibt auch die Prozessschritte dazwischen waren mir neu.
    Aber ich finde es schön, dass man einem auseinandertriften der Stadtgesellschaft entgegen steuern möchte und dafür ein Zusammenkommen jeglicher Abteilungen der Stadtplanung mit Sozialarbeiter ermöglicht. Denn nur im gemeinsamen Austausch und in der Kommunikation kann eine erfolgreiche Veränderung passieren.
    Aus dem Text nehme ich auch heraus, dass der Wunsch besteht an einem lebenswerteren, lebhafteren und integrativeren Ort wohnen zu wollen.
    Laut Max Rieder soll dies durch „Verwirbelung“ also Unordnung, Umstrukturierung passieren dadurch entsteht die Kreativität die zu etwas Neuen führt. Dies benötigt Experimentierfreude, dem ich nur zustimmen kann. Außerdem ist es von Wichtigkeit, dass die Planer nicht kühl und emotionslos an die Sache herangehen sondern mit Verbundenheit zum Ort und einem „Gefühl für die Heimat“. Mit diesen Ansätzen gelingt es eher einen lebensfroheren Wohnhort zu erschaffen, an dem man auch gerne sein möchte. Es zählt ebenso dazu, über die Grenzen zu blicken und das dazwischen wahrzunehmen. Die Räume zwischen den Gebäuden werden meist außen vor gelassen, die jedoch genauso gestaltet gehören.
    Alles in allem sollte aber auch daran gedacht werden das oft Konzepte, Pläne und Vorstellungen mit der Praxis nicht übereinstimmen können, dabei benötigt es eben die Kommunikation nicht nur mit den Planern allein sondern auch mit anderen Beteiligten die in der Umsetzung die nötige Kompetenz und Erfahrung mitbringen.

  2. Beim Lesen der Zusammenfassung des Kongresses fiel mir immer wieder der kürzliche Besuch eines Viertels in Palermo ein, dessen Geschichte ich erstaunlich finde.

    Und seitdem beschäftigt mich der Besuch des Wohnviertels ZEN (Zona Espansione Nord) immer wieder. Die Frage der Wohnraumbeschaffung und –gestaltung. Die beiden ZEN Viertel in Palermo wurden von dem Architekten Vittorio Gregotti in den 80ern geplant und erbaut, allerdings nie fertiggestellt. Aufgrund eines Erdbebens wurden Gebäude in der Stadt unbewohnbar und Menschen besetzten den Rohbau im heutigen ZEN Viertel und bauten Elektrizität und Wassersysteme selbst ein. Dies führte natürlich zu einer schwierigen Lage mit der Stadtverwaltung, die sich nicht für eine Integration der Bewohner in die Stadt bemühten. Zum Beispiel fahren öffentliche Verkehrsmittel (also Busse) relativ kompliziert und schwach frequentiert. Die Wohninseln verwalten sich heute selbst. Mittlerweile gebe es auch konstruktive Kommunikation mit der Stadtverwaltung, erzählte uns der junge freiwillige Sozialarbeiter, der uns durch die Umgebung führte. Er wuchs selbst in ZEN auf und lebt auch heute noch dort.

    Dieses Beispiel zeigt ein solidarisches Umgehen innerhalb einer Kommune mit dem eigenen Wohnraum. Mit der Manifesta 12 wurde der Ort interessant für Coloco und Gilles Clément (project: becoming garden) und dadurch auch für uns als Grafikklasse des Mozarteums zugänglich.

  3. Die Mischung macht es im Leben, eben auch im Großraum, in dem man leben will. Ich bin selber froh, in so einer Verwirbelung zu leben, auch wenn es einiges zu bemängeln gibt. Aber größtenteils gibt es nichts zu meckern. In Salzburg im Stadtteil Liefering ist alles da, was man braucht. Als Urbanistin wünschte ich mir immer, aus der Stadt zu fliehen, um diesen ganzen Trubel und dem Grau zu entkommen. Ins Grüne zu ziehen, in ein Häuschen oder auch ein Haus mit Garten, um „richtig zu wohnen“. Doch dann veränderte sich alles. Nun befindet sich mein Arbeitsplatz am Land und so komme ich jeden Tag ins Grüne und wieder nach Hause ins Grau. Aber hier ist (fast) alles, was ich brauche. Als Salzburgerin ist man ja prädestiniert mit so vielen Schönheiten und der Kultur, die wirklich verwöhnt im Gegensatz zu ländlichen Gebieten. Ich kann hier die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen und bin in der Stadt, um ins Theater, ins Kino, ins Konzert, in die Uni zu gehen. Selbst wenn ich nicht unterwegs sein will, ist alles in erreichbarer Nähe. Über die Schönheit dieses Stadtteils lässt sich streiten, aber zumindest gibt es hier auch ländliches Gebiet neben dem Industriegebiet, es gibt Neubauten, Altbauten, soziale Räume für Jung und Alt, Geschäfte, Restaurants, Post, Banken, Apotheken, Ärzte, Fitnessstudio, Kegelbahnen und vieles mehr.

  4. Als besonders wichtig empfinde ich es auch, dass an solch einem großen Projekt viele Personen aus verschiedenen Bereichen tätig sind. Die Sichtweisen von Personen einer Spate respektive nur eine Perspektive einer Person beinhaltet einen fahlen und einschlägigen Beigeschmack.
    Gut ist, dass über dieses Thema referiert und aufgerüttelt wird. Vieles ist wahrscheinlich schon über längeren Zeitraum gleich gelaufen und über manche Dinge wurde nicht überlegt.

    Das Entwickeln eines solchen Projekts erfordert das Miteinbeziehens vieler Fachleute. Max Reeders Idee der „Verwirbelungen“ sind eine sehr guter Einwurf ein Stadtviertel lebendig zu machen. Nicht nur das Offensichtliche sehen, sondern auch hinter bzw. zwischen die Kulissen schauen.
    Interessant ist, die Beschreibung und das Miteinbeziehen der „Verwirbelungen“. Eine strukturierte Unordnung einbringen. Neben dem interessanten Nutzens des Wortes finde ich die grundlegende Idee recht spannend, das DaZwischen ist der springende Punkt. Wo sind Off-Spaces? Was kann man mit ihnen machen und wie können sie als Interaktion-Spielraum fungieren?

    Zu bedenken sind natürlich aber auch Dinge wie: Wie kann ich die Zwischen-Raume sinnvoll (!) nutzen? Wie können sie optisch passend praktisch eingesetzt werden?
    Dinge, um die es sich lohnt, zu überlegen.

  5. Von Politikern kann man, finde ich, nicht erwarten, dass sie all diese verschiedenen Faktoren, die in dem Text diskutiert werden, miteinbeziehen. Daher müssen sich diese Leute wirklich die Unterstützung von Architekten mit Erfahrung und Soziologen holen. Um gemeinsam eine Stadt aufzubauen, in der Wohnen leistbar ist und wo auch noch genug Platz für einen belebten öffentlichen Raum ist.
    Als „normal Sterblicher“ denkt man nicht darüber nach, wo und warum öffentliche Räume entstehen und funktionieren. Man denkt auch nicht darüber nach, warum „Verwirbelungen“ in der Stadtpolitik und Stadtplanung notwendig sind.

    In meiner Heimatgemeinde wurden soeben neue Wohnungen auf ein vorhandenes Geschäft daraufgebaut. Mitten im Zentrum. Diese Wohnungen wurden dann an Menschen unter 30, die schon länger in dieser Gemeinde wohnen, vergeben. Das fand ich wirklich sehr sinnvoll! Denn die jungen Leute, die sich ein eigenes Leben aufbauen, gehören gefördert. Diese Leute kaufen dann auch im Ort ein und es wurde zusätzlich ein Raum gefördert, der neu geschaffen wurde. Dieser Raum wurde genutzt und es musst nicht irgendein Park dafür hergenommen werden, sondern einfach nur ein zweiter und dritter Stock dafür gebaut werden.

    Auf der anderen Seite gibt es eine Kanzlei in meiner Heimatgemeinde, die mehrere Gebäude in dieser Gemeinde aufkauft, um dann sehr teuere Mietwohnungen daraus zu machen. Das ist wieder rum nicht leistbar für Einheimische und speziell nicht für junge Leute aber auch nicht für Senioren. Da muss unsere Politik dagegen lenken, daher verstehe ich was Max Rieder mit ein „echtes Gegengewicht zum privaten bzw. privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsbau“ zu schaffen um „soziale Verdrängungseffekte“ zu verringern.

  6. Wenn ich die Zusammenfassung dieses Kongresses lese, kann ich nicht anders, als an eine Thematik zu denken, mit der ich mich aus persönlichem Interesse im letzten Jahr auseinandergesetzt habe. Vor allem beim Stichwort/-satz „Gewünscht wurden von ihm […] eine Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Versorgung im Stadtteil“ musste ich an die Planung des Sandleitenhofs in Ottakring in Wien denken. Gebaut zwischen den zwei Weltkriegen, in der Zeit des Roten Wiens, unterscheidet sich der Sandleitenhof von der geschlossenen Hofform anderer Gemeindebauten, wie z.B. des Karl Marx Hofes. Er wird von Straßen durchlaufen, enthält runde Formen, Stiegen, Treppen, Plätze, sowie viele Höfe mit Grünanlagen. Das wirklich besondere daran ist jedoch, dass er als „Stadt in der Stadt“ konzipiert wurde. Neben den neu gebauten Wohnungen, alle mit eigenem Gas- und Wasseranschluss, wurde vor allem auf die Infrastruktur wertgelegt: gebaut wurde ein Kindergarten, eine Bibliothek, ein Theatersaal, ein Kaffeehaus, eine Wäscherei, und knapp 75 Geschäftslokale – unter anderem ein Kaffeehaus, ein Postamt und eine Apotheke sowie 58 Werkstätten. Zwar außerhalb des Areals, aber nur einen Steinwurf entfernt, befinden sich das zur gleichen Zeit gebaute Kongressbad und der Kongresspark.
    Doch wie sieht es heute dort aus? Die meisten Geschäftslokale und die Wäscherei sind geschlossen. Der Theatersaal steht, nachdem er einige Zeit als Supermarkt fungiert hat, ebenfalls leer. Der Raum zwischen den Gebäuden wird kaum genutzt. Eingekauft wird im nahegelegenen Interspar. Und zur Erholung und für Treffen fährt man wohl weiter ins Stadtzentrum. Ein Kulturverein versucht durch das zweijährig stattfindende Festival „SOHO in Ottakring“ das Gebiet wiederzubeleben. Bei Besuchen dazwischen bietet es doch einen verlassenen Blick wie eh und je.
    Im Hinblick auf den Kongress wäre es interessant für mich, wie diese Mischung aus Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Versorgung konzipiert werden kann bzw. muss, dass diese von den BewohnerInnen des Stadtteils auch wirklich in Anspruch genommen wird und erfolgreich ist.

  7. Man liest hier viele gute Ideen, die auch umsetzbar sind, wie es mit dem Städtebau in Zukunft weiter gehen sollte. Ich hoffe, dass diese Ideen bei der Politik ankommen und dort auf guten Willen treffen. Ich finde die Idee, Bürgerinnen und Bürger in die Planung von Wohnprojekten miteinzubeziehen, großartig. Die Verschränkung der Bereiche: Soziales und Wohnen in der Politik sollte zu einem Muss werden. In den meisten modernen Städten sind die Bereiche, wo man arbeitet, wohnt oder die Freizeit verbringt, örtlich voneinander getrennt. Eine lebendige, kommunizierende Stadt sollte jedoch alles zusammen „verwirbelt“ haben, damit es wieder mehr zu direktem Leben kommen kann, und die Menschen nicht durch die digitale Vereinsamung voneinander abgeschnitten werden. Eine „Lebende Stadt“ wagt Experimente: zum Beispiel die Zusammenlegung von Kinderheim und Altersheim. Oder die Stadt lässt Wohnungen über abseits gelegenen Supermärkten bauen, damit die Umgebung und der Parkplatz nicht ungenützt bleiben, sobald die Supermärkte geschlossen sind. Kreativität ist gefragt.
    In diesem Zusammenhang ist mir besonders der Satz von Werner Nüßle: „Keine geschichts- und gesichtslosen Quartiere – Identität schafft Identifikation“ aufgefallen. Dieser Satz ist meines Erachtens unglaublich wichtig. Für mich weist er mit diesem Satz nicht nur auf kreatives Agieren hin, sondern auch darauf, dass das Nachforschen nach Bedürfnissen in der Bevölkerung ungemein wichtig ist und in zukünftige Stadtplanungen einfließen muss. Ich hoffe, dass solche Nachforschungen und Studien zeigen werden, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, und dass nicht nur besonders beim Wohnen darauf geachtet werden muss, sondern bei der Alltagsgestaltung im Allgemeinen.
    Ich bin neugierig auf die Zukunft. Ich sehe keine Signale der heutigen Politik, dass sie “ den sozialen bzw. gemeinnützig organisierten Wohnungsbau so fördert, dass ein echtes Gegengewicht zum privaten bzw. privatwirtschaftlich organisierten Wohnungsbau entsteht und soziale Verdrängungseffekte verringert werden.“

  8. Den Vergleich, der auch in Max Rieders Beitrag „Kooperative Räume in der Stadt der Zukunft- Nirgendwo im Posturbanen?“ zwischen den sozialen Strömungen in einer Stadt und den Strömungsmustern eines Flusses gezogen wird, finde ich sehr treffend. Das Ziel der Effizienzsteigerung führt in beiden Fällen zum Verlust von Lebensraum und (Bio-) Diversität. Das Entfernen von Widerständen und Nischen im Verlauf zieht eine erhöhte Fließgeschwindigkeit und dies wiederum katastrophale Folgen für den Lebensraum nach sich.
    Auch die Feststellung, dass für ein Heimatgefühl die Identität der Quartiere und die Identifizierung der Bewohner damit grundlegend ist, schlägt in eine ähnliche Kerbe. Die Identität von Nachbarschaften und das Heimatgefühl sind vielerorts der Effizienzsteigerung zum Opfer gefallen. Dies bedeutet auch den Verlust des Gefühls von Sicherheit, das ein soziales Nachbarschaftsnetz bietet sowie Entfremdung voneinander. Um dem entgegen zu wirken, ist es vonnöten, Orte der Begegnung zu erhalten und wieder bzw. neu zu schaffen. Hier können Verwirbelungen passieren und den ANfang für eine interessante soziale und stadträumliche Landschaft machen, die viele verschiedene Lebensräume bietet. Dies bedeutet sowohl, die Wohnräume unterschiedlicher Menschen durch organisierten Wohnbau und entsprechende Politik zu vermischen, als auch, sich der Zwischenräume anzunehmen.

  9. Zu den „Verwirbelungen“ fällt mir spontan Le Corbusier ein, der auch dafür berühmt ist, die Bauhausgeschichte weitergetrieben zu haben. Ein modernes Gebäude hat nur mehr zwei Säulen; keine Fenster mehr, sondern nur mehr Fensterschlitze, … Es wird außerdem nicht mehr mit Ziegel gebaut, sondern mit Stahl(-beton). Dies ermöglicht eine bessere Lastableitung und außerdem freiere, leichtere Konstruktionen. Diese können einen wichtigen Part zu einem offeneren, integrativen neuen Wohnen beitragen. Wie Le Corbusier behauptete, braucht ein modernes Gebäude „nur Glas und vier Stützen“. Das Material Glas als Außenhaut trägt nicht mehr, aber es schützt; vor allem aber vermittelt es durch seine transparente Eigenschaft eine höhere soziale Qualität. Eine solche Wand trägt vielleicht nur sich selbst und sonst nichts; am wichtigsten ist jedoch: Sie bietet Raum für Kommunikation. Neben der sozialen Komponente passiert außerdem eine Freisetzung der vertikalen Last, sprich der Schwerlast. Der freie Grundriss wird entstofflicht und stattdessen herrschen vertikale monumentale Stofflasten vor.
    Mich erinnert dieses Thema, bei dem es schließlich um die Bedeutung des öffentlichen Raums und seiner Gestaltungsmöglichkeiten geht, auch an einen griechischen Tempel. Wie ein natürlicher öffentlicher Raum ist ein solcher Tempel ebenfalls natürlich; er ist nicht aus Stahl, sondern aus Stein. Wie immer in der Antike hat er das Dreieck über der Tür, das die Last ableitet. Den Schmuck hat die Masse weggebracht, aber mit Material ist Architektur immer zusammengesetzt, durch die ganze Geschichte. Heute sind viele Konstruktionen gar nicht mehr konstruktiv notwendig; heute ist ein Gebäude scheinbar aus Stein, aber wo sind die geheimen Glasfaserkabeln? Heute geht es bei der Bebauung von öffentlichem Raum auch um ein emotionales Erlebnis, oder auch um Ressourcenbewusstsein. Mit Lehm zu bauen beispielsweise hat eine Message und eine ganz bestimmte Bedeutung.

  10. Das ist ein sehr interessanter Artikel über den Kongress von Frau Dorit Sing.
    Ich stimme dem Stadtsoziologen der TU Wien Jens Dangschat zu, was die geförderten Mietwohnungen betrifft, nämlich, dass es mehr Kontrolle bedarf, für die, die darin wohnen. Glücklich ist der, der solch einen Mietvertrag vererbt bekam und eine günstige Wohnung ergattern konnte, obwohl er sich mehr leisten könnte. Aber es nun nicht gerecht den anderen gegenüber, die wirklichen einen Förderbedarf haben. Hier müsste es eine Bedarfserhebung geben. Beim Wohnen geht es um ein Grundbedürfnis, Förderungen sind individuell und sollten nicht missbraucht werden.

    Der Begriff „falsches“ Wohnen, wie ihn Carlo Knöpfel beschreibt, gibt mir ein gutes Gefühl, nicht „falsch“ zu wohnen, wenn es nur darum geht, für einen angedachten Lebensraum entsprechend eine Wohnung zu bekommen. Aber es nimmt auch die Freiheit, einen größeren Raum für sich zu beanspruchen, wenn es dem subjektiven Bedürfnis entspricht und man es sich leisten könnte. Eine standardisierte Größe für Menschen als Wohnraum sollte meiner Meinung nach als Richtlinie und nicht als Norm dienen, denn die Menschen sind zu unterschiedlich. Und wir sind nicht alle Marie Kondos, dass wir uns so reduzieren könnten oder wollten wie diese Japanerin es anpreist. Ja, es gibt immer mehr Konzepte, die auf die ungenügende Wohnversorgung eingehen und zeigen, dass Wohnen auf wenigsten Quadratmetern möglich ist. Aber will man sich so einschränken?

    Das Heimatgefühl lediglich vom Interesse der Geschichte und Gesicht eines Ortes abhängig zu machen, wie es Werner Nüßler, der Sozialreferent/Sozialplaner macht, finde ich zu banal. Das Gefühl von Heimat ist, finde ich sehr subjektiv und kann nicht dahingehend generalisiert werden, dass wenn diese zwei Punkte erfüllt sind, dann stellt sich das Heimatgefühl ein. Es geht um mehr. Es geht darum, innere Bereitschaft zu haben, nicht nur selbst diesen Ort anzunehmen, sondern auch das Gefühl zu haben, willkommen zu sein und angenommen zu werden. Und dass alles da ist, wonach man strebt, wonach man sich sehnt und es auch möglich ist, Anteil zu nehmen am Geschehen, einbringen zu können und gehört zu werden. Damit bekommt man das Gefühl, wertvoll für dieses Quartier und schließlich auch für die Gesellschaft zu sein.

    Die Idee von Max Rieder, der Architekt als sozialer Künstler, gefällt mir sehr gut. Weil ich denke, dass einerseits Bedürfnisse und andererseits Vorschriften von verschiedensten Richtungen erfüllt werden müssen und dass eben darin die Kunst besteht, alles das unter einem Hut zu bekommen.

  11. Der Begriff der Verwirbelungen, den Max Rieder in diesem Beitrag prägt erinnert mich an die Chaostheorie, wo aus scheinbar ungeordneten Prozessen wunderbare Strukturen entstehen können. Dafür benötigt es offenbar ein gewisses Maß an Chaos, dass eben nicht alles bis in den letzten Winkel durchorganisiert ist und vorgesetzt wird. Dadurch könnte Raum für Eigeninitiative und Selbstorganisation entstehen. Dies zuzulassen würde das Gegensteil von dem bedeuten, was meist stattfindet, wenn überhaupt etwas geschieht: es entsteht ein singuläres Vorzeigeprojekt, das wieder durchorganisiert ist und Gefahr läuft entweder nicht angenommen oder kommerzialisiert zu werden. Aber wie können solche Verwirbelungen und Freiräume für Eigeninitiative und Selbstorganisation dann entstehen in einem öffentlichen Raum, der von Richtlinien, Vorschriften und Auflagen durchdrungen ist und gänzlich den Gesetzen der Marktwirtschaft unterliegt? Die Freiräume müssten ja erst geschaffen werden, damit überhaupt etwas entstehen kann. Vielleicht würde es helfen, wenn es großzügige(re) Förderungen gäbe für temporäre Initiativen. Diese könnten sich auch wirtschaftlich rechnen, da belebtere Stadtflächen (leider) dann ja auch im Preis steigen und sich solche Initiativen wieder neue Orte suchen müssen. Jedenfalls würde es für mich persönlich bedeuten, dass unbedingt Natur in die Stadt gebracht werden muss und wenn es nur punktuell und winzig ist. Als Negativbeispiel sehe ich das Wohnbauprojekt Ginzkey Carré in Salzburg Süd das vom Architekturbüro kadawittfeldarchitektur geplant wurde. In dieser Anlage gäbe es an sich eine interessante und ansprechende, große Innenfläche. Diese wurde jedoch vollständig zubetoniert und -gepflastert bzw. von Lüftungsanlagen der Tiefgarage gegliedert. Kein Mensch hält sich dort auf oder kommt überhaupt dorthin und im Sommer wird es unfassbar heiß. Welche Impulse würde es vielleicht setzen, wenn es da ein urban gardening Projekt gäbe oder die Innenfassaden begrünt würden? Ein absolut positives Beispiel ist für mich dagegen das Bienenlieb Projekt in der Membergerstraße 1 an der Salzach in einem ehemaligen Betriebsgelände, das vom Bienenlieb Verein zu einem urbanen Imkereizentrum mit Laden und Cafe umgebaut wurde und noch weiterhin wird. Dies hat für mich den Charme der Selbstorganisation und bringt mit den Bienen ein gewisses Maß Natur zurück in ein an sich hässliches und herunter gekommenes ehemaliges Betriebsgelände.

  12. In dem Artikel gibt es viele innovative Ansätze zur Förderung von lebenswerten und sozialen Wohnraum in Städten. Vor allem die partizipativen Wohnprojekte
    liessen mich innerlich beim Lesen aufhören. Ich finde es überaus sinnvoll
    auf die Wohn-Bedürfnisse der zukünftigen BewohnerInnen einzugehen und
    diese in die Planung zu involvieren. Ebenso finde ich das Wohnprojekt in der Schweiz, wo aus einer ehemalige Lagerhalle ein Wohn-und Gewerberaum
    geschaffen wurde, ein gutes Beispiel für die Nutzung leerstehender Gebäude. Generell denke ich, dass es wichtig wäre den bereits vorhandenen Wohnraum so zu nutzen und umzugestalten, dass er gerechter verteilt wird um beispielsweise Phänomenen wie dem „falschen Wohnen“ und generell dem sozialen Auseinanderdriften unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen entgegenzuwirken. Ein architektonisches Phänomen, das im Text Erwähnung findet und ich persönlich ästhetisch faszinierend finde, sind „Gated Communities“. Für mich fühlt sich das Spazieren durch solche Wohngegenden an, als ob ich in der Zukunft gelandet wäre oder mich im Inneren eines animierten Architekturplans befinde würde. Weiters finde ich den Ansatz, dass es ein bestimmtes Maß an Unordnung braucht um ein Stadtviertel lebenswert zu machen sehr sympathisch. Dieser stellt einen guten Gegenentwurf zu clean aneinandergereihten Wohnkomplexen dar. Erst durch die Möglichkeit des Verweilens in öffentlichen Zwischenräumen kann die Wohngegend ein Ort sozialer Wärme werden.

  13. Die mangelnde Vielfalt in Großstädten folgt natürlich einem politischen Interesse, so zumindest mein Eindruck. Auch in Salzburg erleben wir, dass arme Leute an den Stadtrand bzw. überhaupt aus der Stadt gedrängt werden. Die Grundstückspreise sind hoch, Wohnraum ist begrenzt, Häuser werden nicht höher als 4 Stöcke. Etc. Die noblen Vororte reichen bald schon in das Seenland bzw. bis tief in den Flachgau – z.B. Seekirchen. (Ich bin nämlich aus Seekirchen)
    Am Beispiel „Lehen“ sahen bzw. sehen wir, dass die Stadt Salzburg sozial und urban „self made“ gestaltete Gebiete zurückdrängt und systematisch organisiert. MaxRieders These von Verwachsungen durch selbstständig gestaltete Flächen kann ich auch vertreten, allerdings lässt sich beobachten, dass vor allem die Salzburger Stadtregierung nicht diese These vertritt, viel mehr lässt sich unter dem Deckmantel von neoliberalen Ansätzen eine beinah autoritäre Vorgabe beobachten, welche Menschen welche Räume zu nutzen haben. Auch der Versuch Kultur (Fotohof/Stadtgalerie) in Lehen anzusiedeln kann skeptisch betrachtet werden, da diese Räume nicht aus sich heraus entstehen bzw. entstanden, sondern durch die Politik zugewiesen werden. Diese Zuweisung unterbindet das „natürliche“ Wachsen von Strukturen, sowie es die Vortragenden des Kongresses forderten/fordern.
    Durch zugewiesene Plätze durch die Politik geht die soziale bzw. urbane Kreativität verloren.

  14. Diese Zusammenfassung über die wichtigsten Punkte des Kongresses haben mir viele neue Sichtweisen eröffnet und auch einige Punkte zum Nachdenken gegeben. Beispielsweise wusste ich nicht, so wie von Prof. Dr. Jens Dangschat erwähnt wurde, dass es in Deutschland im sozialen Wohnbau eine Mietpreisbindung von 20 bis 25 Jahre geben würde und in Österreich nicht.
    Ich persönlich denke, dass ganz allgemein leistbares und bezahlbares Wohnen mehr gefördert werden sollte, besonders wenn ich da an junge Menschen in Ausbildung denke. Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus wage ich sogar zu behaupten, dass Wohnen als Vollzeitstudentin ohne finanzielle Unterstützung in der Stadt Salzburg fast nicht leistbar ist. Deshalb finde ich auch, dass gegen ständig steigende Mietpreise etwas unternommen werden sollte und bezahlbares Wohnen für ALLE gefördert wird.
    Besonders interessant fand ich auch die von Werner Nüßle beschriebenen lebenswerten und integrativen Quartiere, in denen versucht wird, gegen die Konzentration sozialer Problemlagen zu wirken, sowie die „Kooperativen Räume in der Stadt der Zukunft“ von maxRIEDER. Gerade dieser Zwischenraum oder dieses „Dazwischen“, wie er beschreibt, wird eigentlich oft keine Beachtung geschenkt oder auch hinterfragt, weil es einfach so hingenommen wird, wie es ist. Es wird aber dennoch aufgezeigt, welche vielfältige und innovative Möglichkeiten und Ansätze eine „Verwirbelung“ im öffentlichen Raum bietet.

  15. Ich finde es sehr beeindruckend wie viele Menschen aus verschiedensten Bereichen sich dafür einsetzen, innovative und leistbare Wohnbauprojekte umzusetzen. Dadurch wird auch verdeutlicht, wie viele Aspekte und Perspektiven bei der Gestaltung von städtischen Wohnräumen und Zwischenräumen eine Rolle spielen. Ein zentraler Aspekt, insbesondere beim sozialen Wohnbau, ist beispielsweise das Entstehen von Parallelgesellschaften oder sogenannten „Ghettos“ zu verhindern, da ansonsten in einem bestimmten Gebiet oder Stadtteil häufig nur Menschen aus einer bestimmten sozioökonomischen Schicht leben können oder wollen. Die große Gefahr dabei ist, dass gesellschaftliche Schichten so komplett aneinander vorbei leben und (fast) nichts von den übrigen Bewohner_innen einer Stadt mitbekommen, wodurch ein großes Maß an Vielfalt, Potential und sozialem Austausch bzw. Leben verloren geht. Auch die weitere Entwicklung oder Gestaltung von Lebens-, Wohn- und Zwischenräumen hängt stark von den Bewohner_innen eines bestimmten Stadtteils ab. Dabei muss ich einerseits an den Salzburger Stadtteil Lehen denken, der diesbezüglich mit vielen Vorurteilen behaftet ist. Wenn man Lehen nicht persönlich kennt, sondern nur davon gehört hat, könnte es passieren, dass man sich von dort nur graue, schäbige, eintönige Wohnblocks oder dunkle Parks voller asozialer Drogendealer erwartet, was sich nach einem persönlichen Besuch meiner Meinung nach absolut nicht bestätigt. Andererseits muss ich bei dem Thema an eine Reise nach Südafrika denken, die ich vor zwei Jahren gemacht habe und die allgemein sehr prägende Eindrücke hinterlassen hat. Vor dem (noch nicht lange!) historischen Hintergrund der Apartheid, kann man dort (leider) gut die Auswirkungen von Parallelgesellschaften und regelrechter Abschottung zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten beobachten. Alle Grundstücke oder Gebäude von wohlhabenderen Bevölkerungsgruppen verfügen entweder über einen Stacheldraht- oder Elektrozaun. Auf den Zäunen findet man häufig Warnungen vor bewaffneten Sicherheitsteams, die bei Bedarf in kürzester Zeit vor Ort sein könnten. Lebensräume scheinen dort mehr von Zäunen, Armut und Angst geprägt zu sein, als von gesellschaftlichem Austausch und gemeinsamen Leben. Die dortigen Verhältnisse können insofern als abschreckendes Beispiel dienen und dazu ermutigen, innovative, kreative, sozial durchgemischte, leistbare, lebendige und lebenswerte Wohnräume und Zwischenräume zu entwickeln, gestalten und umzusetzen, weil sie deren Notwendigkeit und Mehrwert überspitzt verdeutlichen.

  16. „Ein gelingendes Leben vor Ort“ ist etwas, wie auch im Beitrag beschrieben, dass durch die Entwicklungen in den letzten Jahren in den Städten immer schwieriger wird. Nicht nur in Österreich wird der Traum des eigenen Hauses oder Wohnung unerreichbarer. Die Anzahl Obdachloser ist in Österreich laut Statistik Austria (Stand 2019) bei 22.000, wo besonders Junge Erwachsene betroffen sind.
    (Quelle:https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20210909_OTS0170/wohnungslosigkeit-junge-erwachsene-besonders-gefaehrdet-bild)
    Durch die Inflation und die aktuellen Teuerungen wird sich die Situation verschlimmern. Daher finde ich es eine tolle Initiative soziale Infrastrukturen zu erbauen, die an diese Zielgruppe gerichtet sind. Selbst als Student/in ist es heutzutage schwierig sich ein kleines Zimmer in einem Studentenwohnheim zu leisten, ohne daneben zu arbeiten, Unterstützung von den Eltern oder der Studienbeihilfe zu erhalten. Die Innovative Freiräume in Städten zu nutzen um daraus kooperative Räume zu gestalten, wie die im Beitrag vorkommenden Beispiele von Dr. Max Rieder, sind mit Blick auf die Zukunft etwas das meiner Ansicht nach mehr gefördert werden sollte.

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