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Foto: Cristina Colombo

Architekturkritik quo vadis?

Ein Kommentar

Otto Kapfinger und Peter Reischer im Gespräch über Architekturkritik und zivile Agitation.

Herr Kapfinger, wieso haben Sie die Architekturgruppe ‚Missing Link‘ stillgelegt?

Wir waren bei Missing Link ab 1970 zu dritt, Angela Hareiter, Adolf Krischanitz und ich. Bis 1974/75 hat das relativ gut funktioniert. Angela hat sich dann mehr und mehr der Filmbranche gewidmet. Ihre Eltern –  Herta Hareiter und Otto Pischinger – waren bekannte Filmarchitekten und Angela kam da zu Aufträgen und ist in dieses Genre gewechselt. In der Zeit hatten wir gerade wenig zu tun, keine Aufträge, wir waren in der Kunstszene relativ aktiv. Krischanitz und ich behielten das Label bis 1979/80, als Adolf den Ziviltechnikerstatus erhielt und wir den Gruppennamen auch aus rechtlichen Gründen auflösten.
Ich persönlich war nie so aufs Bauen, aufs konkrete Umsetzen aus, mein Partner Krischanitz schon, der wollte bauen. Wir haben zwischen 1975 und 1979 etliche Wettbewerbe gemacht. Der Schwager von Adi, Hartmut Spiluttini, der in Graz studiert hatte und dann die Baufirma seines Vaters im Pongau übernahm, hat uns mehrmals zu Wettbewerben beigezogen und uns unterstützt, wir haben aber nichts gewonnen. In Wien haben wir uns 1976 am Rennwegareal am städtebaulichen Wettbewerb beteiligt. Den haben damals Puchhammer/Wawrik gewonnen. Wir haben mit Sackmauer/Semsroth zusammengearbeitet. Über diese Arbeit, wo wir uns speziell mit der Wohnbebauung befassten, sind wir mit der Notwendigkeit oder fast dem Zwang konfrontiert worden, einiges von unserem Studium nachzuholen. Denn an der Technik (TU Wien) hat man – so meine Erfahrung Ende der 60er Jahre – überhaupt nichts gelernt oder erfahren. Es gab zum Beispiel keine Vorlesung über die geschichtliche Entwicklung im Wiener Wohnbau, es war fürchterlich.
Wir haben uns damals sehr viel im 20er-Haus aufgehalten. Dessen Direktor Alfred Schmeller hatte 1970 dort die Haus-Rucker&CO in die Öffentlichkeit gebracht, hatte 1971 eine große Walter-Pichler-Ausstellung gemacht, und wir sind ihm immer in den Ohren gelegen, dass auch wir im 20er-Haus etwas machen wollen. Diese Gelegenheit hat sich zuerst 1973 bei der Ausstellung ‚Die Straße‘ ergeben. Das war eine Schau, die aus Holland kam und sich mit dem Phänomen Straße als Lebensraum, politischem Raum, Revolutionsraum, Verkehrsraum beschäftigte. Schmeller wollte dafür einen eigenen Wiener Beitrag. So haben wir im Jahre 1972/73 den Knoten Gürtel/Gumpendorferstraße/Stadtbahn behandelt.

Wir haben alles untersucht, Fotoserien gemacht, eine große Axonometrie des Umfeldes der Stadtbahnstation gezeichnet, die gesamte infrastrukturelle und semantische Ausrüstung des Straßenraumes dokumentiert und analysiert. Die Wiener U-Bahn-Planung war damals im Entstehen. Die Stadtbahn war gefährdet, Stationen sind demontiert worden. Da habe ich meine ersten Texte geschrieben. Zusammen mit einer Fotodokumentation und Textanalyse über den Abbruch der Karlsplatzstationen hatten wir 1973 noch eine weitere kleine Ausstellung im 20er-Haus. Das lief damals parallel mit unserer Arbeit im Kunstbereich, wo wir Objekte, Performances, Filme produzierten, wirkte aber schon konkret in die Architektur hinein. Es war eine spannende, unbeschwerte Zeit. So ab 1975 hatten wir dann Ansprechpartner, Freunde in der Wiener Stadtplanung. Anfang der 70er Jahre waren etliche unserer Studienkollegen bzw. Assistenten von der TU in den Magistrat gegangen, um die Institutionen „von innen her zu unterwandern“, um etwas zu verändern.

Das ist bewusst und gezielt passiert?

Ja, klar, ich nenne da etwa Willi Kainrath, Klaus Steiner, Wolfgang Brunnbauer, die in die MA 18 bzw. MA 21 gingen, später noch Gustl Fröhlich und Herbert Binder;  Timo Huber von ZÜND-UP hat in diesen Jahren im Magistrat die ganze Gebietsbetreuung aufgebaut. Das war der „Marsch durch die Institutionen“, eine bewusste politische Alternative. Von diesen Freunden haben wir so ab 1975, wenn ich mich richtig erinnere, kleine Studienaufträge bekommen oder auch Darstellungsaufträge, wenn sie magistratsintern gegen unsinnige Projekte Alternativen aufzeigen wollten. Es gab u.a. Tiefgaragenplanungen beim Schottentor oder unter dem Heldenplatz mit riesigen Rampen auf den Plätzen, da haben wir Alternativen ausgetüftelt und gezeichnet mit Rampen in den Nebenfahrbahnen und das prägnant dargestellt. Wir waren gute „Visualisierer“, haben alles natürlich mit der Hand gezeichnet, und davon konnte man bescheiden überleben.

Warum haben Sie sich von der Architektur, vom Bauen weg zum Schreiben bewegt? Warum haben Sie sich dieser architektonischen Materialisierung verweigert?

Mein Naturell ist eher ein reflexives und analytisches, kontemplatives. Ich bin kein Konstrukteur. Ich war im Zeichnen und Darstellen wirklich gut, und im analysieren. Aber nicht im Entwerfen. Bei fast allen Missing Link Arbeiten habe ich ab 1970 die Texte geschrieben. Ich habe sehr viel gelesen und es hat mich fasziniert, nachzuschauen, wie in der Literatur, in der soziologischen und psychologischen Forschung über Städte, über Räume geschrieben worden ist, und wir hatten immer den Drang, das in den Architekturdiskurs einzubringen. Ab 1976 waren wir in der ÖGfA (Österreichische Gesellschaft für Architektur) tätig. Damals war geplant, alle Vorortelinie-Brücken von Otto Wagner durch Betontragwerke zu ersetzen. Klaus Steiner hat uns damals – wie bei vielen weiteren Gelegenheiten – vorinformiert, dass da was im Busch ist. So konnten wir rechtzeitig eine sehr kritische ÖGfA-Stellungnahme publizieren und alle einschlägigen Zeitungsredakteure dazu aktivieren, ebenso später gegen die Planung am Ballhausplatz, am Areal der Roßauerkaserne, gegen die geplante Verbauung der Steinhofgründe usw. Das war 1977-80 die stadtpolitische, baukulturelle Agitation, die über die ÖGfA gelaufen ist. 1979 haben wir das Theoriemagazin ‚UMBAU‘ gegründet. Es gab in Österreich kein Medium, das auf international oder national adäquatem Niveau das Architekturgeschehen reflektiert hat.

Das gibt es auch heute nicht!

Damals gab es in der Schweiz das kleinformatige aber inhaltlich hochprozentige Magazin ‚archithese‘, das hat uns sehr fasziniert und wir haben gesagt, so etwas möchten wir auch machen: eine  Art neue „Fackel“ im Feld von Stadtplanung und Baukunst. Dafür haben wir dann recherchiert, Vortragsreichen organisiert, öffentliche Diskussionen – somit waren wir mit der ÖGfA schon mitten drin  in der publizistischen Schiene.

Wer ist das ‚wir‘?

Das war vor allem Dietmar Steiner, Adolf Krischanitz, Fritz Achleitner, den wir wieder in den ÖGfA Vorstand zurückgeholt hatten, Gunther Wawrik, Leopold Redl und ich, dann kamen die Jüngeren dazu: Katzberger, Stiller, Schöllhammer u.a. Ab Jänner 81 habe ich dann selbständig regelmäßig für ‚Die Presse‘ geschrieben, zuerst vier Jahre lang, auf meinen Vorschlag hin, im Tandem mit Steiner, dann allein weiter, dann mit Schöllhammer zwei Jahre, dann bis 1990 mit Walter Zschokke. Ab 1981 war sozusagen schon hauptberuflich auf der publizistischen Seite tätig. Die Bürogemeinschaft mit Krischanitz endete 1984.

Was heißt ‚kritisch‘? Kritik ist doch nichts Negatives?

Kρίνειν (krínein) kommt aus dem Griechischen und heißt ‚unterscheiden‘. Das ist nichts Negatives, ist hierzulande eben falsch bzw. einseitig konnotiert. Ende der 70er, anfangs 80er Jahre waren in Wien schwierige Zeiten: Man musste sich einfach melden und Stellung beziehen. Damals ist zum Beispiel der Finanzstadtrat Mayr einfach über die Planungsabteilungen hinweggegangen. Ich könnte etliche große Beispiele aufzählen. Zu schreiben und vor allem unter den einschlägigen Publizisten solidarische Stoßkräfte aufzubauen, das war eine Art der ‚kritischen Einsatzmöglichkeit‘, um gewissen Dingen entgegenzusteuern. Ende 1980 wurde von „Die Presse“ an Fritz Achleitner der Wunsch herangetragen, wieder Architekturkritik zu machen. Es gab damals sporadische Architekturrezensionen im Kurier, in der Presse, in der AZ und in Profil. Achleitner hat mich dann in einem Gespräch im Café Museum gefragt, ob ich das machen möchte. Ich habe zugesagt und Dietmar Steiner als Hilfe geholt, so haben wir dann abwechselnd geschrieben.
Man wollte gerade die U6 nach Siebenhirten verlängern und dabei die große Wagner-Brücke über das Wiental abreißen. Wieder kam „der Zund“ dafür von Klaus Steiner: „Ihr müßt da dringend was machen!“ Mein erster Artikel war in der Presse auf der Kulturseite mit riesigem Foto: ‚Wie Otto Wagner durchgestrichen wird‘. Das hat wie eine Bombe eingeschlagen. In den nächsten Tagen haben alle anderen Wiener Tageszeitungen das Thema ebenfalls aufgegriffen…

Sie haben ja zehn Jahre lang jede Woche – oder jede zweite Woche- in der Presse geschrieben. Ist das nicht ein gewisser Stress, jede zweite Woche etwas zu finden, über das man schreiben kann?

Ja das war schon sehr anspruchsvoll. Ein Artikel hat immer 3 – 4 Tage Zeit benötigt. Wir haben ja nicht nur in Wien sondern in allen Bundesländern Themen gesucht, auch über Anlässe in Deutschland berichtet, überhaupt international gearbeitet. Wir sind immer, immer zu den Projekten, über die wir geschrieben haben, hingefahren.1981-84 habe ich das mit Steiner gemeinsam gemacht, wir haben uns immer abgesprochen. Wir haben inhaltliche Stafetten gebildet, um an den aktuellen, dringenden Themen dranzubleiben. Dann hat Steiner aufgehört und ich habe es eineinhalb Jahre allein gemacht. Von 86 bis 88 habe ich dann mit Georg Schöllhammer – wir kannten uns von der ÖGFA – abwechselnd geschrieben. 88 ist der Standard gegründet worden und Schöllhammer ist dorthin gegangen. Sein Nachfolger, um mit mir im „Spectrum“ zu schreiben, war Walter Zschokke. Als ich aus privaten Gründen 1990 aufhörte, habe ich Liesbeth Waechter-Böhm als Nachfolgerin vorgeschlagen. Sie hatte damals fast keine Möglichkeiten, ab 94 wurde sie dann Chefredakteurin von „Architektur Aktuell“.

Was ist ein guter Architekturkritiker? Wie kann man ihn definieren?

Einer der nachvollziehbare Argumente liefert, um das Richtige, das Angemessene, das Vorwärtsweisende vom weniger Richtigen, vom Unangemessen, vom Retardierenden zu unterscheiden – „krinein“ heißt: Kriterien liefern, definieren, publizieren.

Argumente für oder gegen…?

Nein, nicht vordergründig „für“ oder „gegen“, sondern Argumente bringen, um zu erkennen, was es ist und warum es so ist. Also nicht nur hinschauen und sagen: Gefällt mir oder gefällt mir nicht. Das ist bloß Meinung. Kritik will, soll unterscheiden lernen, Kriterien bilden und Sachverhalte, Prinzipien und Informationen, die hinter den Sachen liegen, ans Licht bringen. Warum ist dieses Projekt, warum diese Architektur so? Es gibt ein Sprichwort: Man sieht nur das, was man weiß. Es geht darum, Vorurteile aufzulösen, auszudifferenzieren. Das gilt genauso für das gelungene Projekt: Ich muss dessen Qualität objektivierbar auf den Punkt bringen können, warum das speziell bei vergleichbaren Anlässen und generell für die Baukultur modellhaft, vorbildlich ist. Mein Ziel war es immer, einen Standpunkt wirklich zu begründen. Ich habe über viele Jahre hinweg die Erfahrung gemacht, dass das sehr zäh ist. Man muss fast immer wieder beim kleinen Einmaleins anfangen. Und hierzulande nimmt man überdies meist an, dass hinter der Kritik eigentlich irgendein anderes Motiv steckt. Ich wurde mehrmals mit Bestechungsversuchen konfrontiert. Sehr oft wurde von Angesprochenen, von Entscheidungsträgern gar nicht auf das Argument eingegangen, sondern es wurde gefragt: Was wollen Sie eigentlich? Wer steht denn hinter Ihnen? Ein Bürgermeister fragte einmal: „Haben Sie keine Frau? Brauchen Sie einen guten Job?“ Für mich ist es ein zentraler Ansatz, bei Texten über gebaute Phänomene das grundlegende Konzept und den Kontext zu erklären: Woher ist das gekommen, was sind die ursprünglichen Ideen. Das Gebäude ist immer das Resultat einer Grundkonzeption. Und das gibt schon einen zentralen impliziten Maßstab, an dem ich dann das Gebaute, das Resultat messen kann.

Ist das die Frage, ob der Architekt seine Vision verwirklicht hat?

Das ist eines der Momente, die zu begründen sind. Es geht eben nicht um das aus der Hüfte geschossene ästhetische Urteil, bei dem man in Beschreibungsmetaphern schwelgt.

Kann man sagen, dass man in der Architekturkritik das Fundament der Sehweise für den Betrachter klar und verständlich machen muss?

Ja!

Das heißt, es gibt in der Architekturkritik immer verschiedenste Zugänge? Der eine kann positiv und der andere negativ über dieselbe Architektur schreiben?

Das ist möglich. Aber meistens geht es dabei eher um Meinungen, subjektive Zugänge. Was es geben kann, ist eine Betrachtung von verschiedenen Parametern oder Maßstäben aus. Aber dann möchte ich auch die jeweilige Argumentationskette offengelegt und nachvollziehbar gemacht haben.

Gibt es eine objektive Architekturkritik?

Es gibt Bauaufgaben, bei denen eine gewisse Vergleichbarkeit eher gegeben ist. Zum Beispiel der soziale Wohnbau, da ist eine Obergrenze festgelegt, die Baukosten, fast alle Parameter. Da kann man leichter sagen, unter den budgetären Rahmenbedingungen hat einer das und der andere das gemacht. In anderen Aufgaben ist das eher ‚Äpfel mit Birnen‘ vergleichen. „Objektiv“ heißt für mich, dass meine Aussage, die ich auf den Tisch lege, nachvollziehbar ist. Ich muss in meiner Reflexion, auch in meiner Agitation begründbar und nachvollziehbar sein.

Das heißt, Sie müssen Ihren Gedankengang klarlegen?

Es geht nicht um ein Urteil, sondern um das Nachvollziehbarmachen von Widersprüchen, von Kausalitäten, es geht um das Einleiten, das Anbieten eines Lernprozesses, um Verständnisarbeit – aber natürlich in bestimmten Fällen auch um scharfe Polemik, damit das überhaupt wahrgenommen wird, damit sich überhaupt was bewegt.

Ich denke so – Du kannst auch anders denken?

Vorausgesetzt, dass es Denken ist, und nicht bloß Meinen. Meine Vorbilder waren Friedrich Achleitner und auch Hermann Czech. Czech hat in seinen kritischen Texten nie ästhetische Urteile gefällt, sondern immer die Idee, den Gedanken – oder eben den Denkfehler – hinter dem Ergebnis gesucht. So kommt man sehr schnell auf allgemeine Problematiken. Ob das schön oder hässlich ist, ist dann fast egal. Da kommen dann politische, gesellschaftliche und soziale Faktoren zum Tragen, an die Oberfläche. Und plötzlich steht das in einem Zusammenhang. Das zu leisten ist ein hoher Anspruch, braucht viel Arbeit, es ist ein mühsames Feld.

Vor allem, wenn man jede Woche eine Seite abliefern muss?

Ja, aber das war schon OK, damals. Allerdings ist die Bezahlung seit 15 Jahren gleich geblieben, wie ich jetzt von den KollegInnen höre, und auch darum geht das heute nicht mehr.

Was sagen Sie zu dem Relativismus, der heute herrscht. Wieso schreibt Alexandra Föderl-Schmid über die Architektur des Musiktheaters Linz und Elfriede Jelinek eine Kritik über den Keramiker Kurt Ohnsorg?

Das ist eingebettet in die allgemeine politische Entwicklung, in unseren postmodernen Status von Gesellschaft und Kultur. Das wäre jetzt ein riesiges, eigenes Thema. Im Prinzip ist es sehr gut, wenn es nicht mehr die eine einzige „Wahrheit“ gibt, aber es wäre dann auch zu verlangen, dass in aller Diversität die Aussagen jeweils pointierte Qualität haben – im angesprochenen Sinn.

Was kann man als Publizist, als Architekturkritiker tun, um etwas zu verändern?

Wenn sich ArchitektInnen in ihrer Haltung zu einem planerischen Problem nicht einig sind, sagt der Auftraggeber, der Geldgeber: Dann passiert eben das, was ich will: ‚Divide et impera‘. Das heißt, es geht darum, eine Solidarität zu bilden, Netzwerke zu organisieren. Es ist nicht immer das Richtige, gleich in die Zeitung zu gehen, denn in der Regel landet es dann in den Schubladen der populistischen Grabenkämpfe, geht es in unseren Medien nicht mehr um die Sache, sondern um was anderes. Deshalb muss man manchmal andere Wege gehen. Das geht zusammen mit unabhängigen Fachinstitutionen, mit Netzwerkbildung in der Zivilgesellschaft. Sonst bewegt sich nichts. Die Zivilgesellschaft –  z.B. als BürgerInneninitiative – braucht meist die sachliche Stützung (oder auch „Korrektur“), die zusätzliche Autorisierung durch fachliche Verbände und Organisationen. Das muss einfach probiert, gewagt, gepflegt werden. So ist das zum Beispiel jetzt bei den Steinhofgründen oder beim Projekt Intercont-WEV gelaufen.

Was sagen Sie zur Architekturbildung in den Schulen?

Die ist absolut notwendig.

Warum passiert dann nichts? Es gibt ja eine Abteilung im Ministerium, die sich mit Architekturvermittlung in den Schulen beschäftigen soll. Es tut sich aber nichts!

Ich weiß das nicht im Detail. Es gibt schon Versuche. Aber vermutlich mangelt es an der Lobby, gibt es schlicht und einfach zu viel einschlägige Ignoranz – und ist das Ganze nur so langfristig aufzubauen, dass sich das kaum jemand zumutet.

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Otto Kapfinger studierte von 1967 bis 1972 Architektur an der Technischen Hochschule Wien. 1970 gründete er mit Angela Hareiter und Adolf Krischanitz die Gruppe Missing Link, die künstlerische Objekte, Graphik, Aktionen, Performances und Experimentalfilme realisierte. 1980 wurde die Gruppe aufgelöst. 1978 bis 1992 war er Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Architektur.
Bekannt wurde er als Architekturforscher und –kritiker, Ausstellungskurator und Autor zahlreicher Publikationen, darunter die Architekturführer zu fünf Bundesländern. Von 1981 bis 1990 war Architekturkritiker der Tageszeitung „Die Presse“, von 1984-90 Lehrbeauftragter an der „Angewandten“ bei Professor Johannes Spalt, 1997-98 Gastprofessor an der Hochschule für Gestaltung Linz. Er war in mehreren Gestaltungsbeiräten tätig, darunter 1997-2001 stellvertretender Vorsitzender des Beirates der Stadt Salzburg, weiters Juror bei zahlreichen Projektjurien und der Vergabe von Landesbau-, Bauherren- und Holzbaupreisen. 2000-02 kuratierte er die Wanderausstellungen und Publikationsreihe „Emerging Architecture“ als Kooperation des Springer-Verlages mit dem Architekturzentrum Wien.

Foto: Cristina Colombo

Ein Kommentar zu “Architekturkritik quo vadis?

  1. auf die tief gehende frage und antwort: diverse kommentare zu fremden fachgebieten.

    natürlich alles ist bereichernd, aber gleichzeitig auch subjektiver schrott. wahrscheinlich auch meine anmerkung. subjektives verschwimmt wie öffentliches und privates zu objektivem – vice versa. daraus erfährt die architektur unmittelbarkeit, auch den status des unverständlichen und des missverständlichen, wie eben am musiktheater linz. es wäre es doch sehr einfach nur architektur-künstler zu sein (raimund abraham, john heidjuk etwa). ich finde es dennoch als überlebenswichtig dass die sonderlinge die kommerz- und mainstreamästhetik partiell neutralisieren. aber aus jedem a-sonderling wird irgendwann ein kommerzling; TROTZDEM danke.

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