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Urban Biedermeier – Rückzug ins Private?

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Was macht relativ kleine Interventionen wie Urban Knitting und Gardening zu derart kontrovers diskutierten Themen? Bei weitem seltener wird schließlich Werbung im urbanen Raum in Frage gestellt. Die Gründe für die Sympathie und Aversion gegenüber privater Interventionen müssen daher tiefer liegen, schließlich handelt es sich dabei nicht um die augenscheinlichsten Eingriffe in den Stadtraum. Anders als im Fall großer Werbetafeln handelt es sich bei den UrheberInnen dieser Eingriffe nicht um anonyme Firmen, sondern ganz spezifische Personen. Das Private wird durch die Intervention über die unmittelbare Sphäre der eigenen Wohnung oder Hauses in den gemeinsam genutzten Raum erweitert. Öffentlicher Raum wird also zumindest temporär appropriiert. Durch den erweiterten Handlungsraum des/der Einen, sei es nur auf ästhetischer Ebene, fühlt sich der/die Zweite möglicherweise eingeschränkt. So fühlt sich so mancher vom Beharren des/r Anderen auf sein/ihr Recht auf Stadt allzu oft in seinem/ihrem eigenen beschnitten.

Als temporäre Marker um bisher übersehene Aspekte des urbanen Gefüges sichtbar zu machen sind Interventionen ein gutes Werkzeug um neue Perspektiven zu öffnen. Um als solche Marker zu funktionieren müssen Sie variieren und stets aufs Neue überraschen, tun sie das nicht mehr werden sie schnell zu Ornament und Alibihandlung. Der Gehsteig oder Platz wird dann zum bourgeois-bohémien erweiterten Wohnzimmer, das nur auf den ersten Blick so offen und inklusiv wirkt, denn die Communities des Urban Biedermeier kennen nur informierte und aktive StadtbewohnerInnen.

Ähnlich ambivalent kann es sich mit partizipativen Planungsprozessen verhalten. Prinzipiell gilt es zu betonen, dass jeder Versuch eine möglichst breite Öffentlichkeit in die Gestaltung ihrer unmittelbaren Umwelt einzubinden begrüßenswert ist, doch gleichzeitig ist auch die Frage berechtigt welche Entscheidungen letztendlich doch besser von FachexpertInnen auf Basis eines ausgewogenen Dialogs mit den unterschiedlichen Akteuren eines Projekts getroffen werden sollten. Partizipative oder kooperative Planungsprozesse münden oft nicht in die erhofften positiven planerischen und kommunikativen Effekte, sondern werden als Feigenblatt bereits zuvor besiegelter Großprojekte verunglimpft. Gleichzeitig werden partizipative Prozesse von manchem/r AnrainerIn als Mittel zur Blockade jedweder Veränderung benutzt. An beiden Enden dieses Spektrums mangelt es an Bewusstsein für eine Ausgewogenheit zwischen eigenen Interessen und kommunalem Gefüge. Der Versuch zwischen den AkteurInnen zu vermitteln gerät dadurch oft zum (Alb)traum Partizipation.

Die Mechanismen der crowd bewegen sich ebenso im Spannungsfeld privater und gemeinschaftlicher Interessen und können dabei zwischen Werkzeugen zur Ermächtigung ökonomisch schwacher Gruppen sowie der Zuspitzung sozialer Gaps changieren. In Bogota [http://www.bdbacata.com/] soll etwa ein ganzes Hochhaus via crowdfunding finanziert werden, anders als ursprünglich intendiert fungiert crowdfunding in solchen Projekten nicht als Finanzierung von Projekten außerhalb konventioneller institutioneller Strukturen, sondern wird zur attraktiven Anlageoption bereits wohlsituierter Stadtbewohner. Doch Gegenmodelle beweisen dass crowdfunding positive Effekte in Feldern wie der Kulturproduktion auslösen können. Eine bereits erprobte Alternative zur Finanzierung von Bauprojekten stellen Baugruppen, die ebenfalls auf das Potenzial gemeinschaftlicher Organisation setzen, dar. Anders als im crowdfunding handelt es sich natürlich um kleinere Gruppen, die allerdings bei weitem intensiver und langfristiger zusammenarbeiten. In jedem Fall scheinen die Urban Crowds eine zunehmend wichtige Rolle zu spielen.

In der Gesprächsreihe hinterhof kontrovers lädt art:phalanx an folgenden Terminen ExpertInnen ein, um über das ambivalente Verhältnis privater und gemeinschaftlicher Interessen im Spannungsfeld des urbanen Gefüges zu diskutieren:

6. August 2014, 19:00 | Neubaugasse 25, 1070 Wien
hinterhof kontrovers #4 | Urban Biedermeier

  • Sabine Gretner | Architektin, ehem. Gemeinderätin der Stadt Wien, Gemeinwesenarbeit bei der Caritas
  • Simone Rongitsch | Raumplanerin, Karls Garten Wien
  • Mara Verlic | Soziologin mit Fokus auf Urbanistik und Stadtentwicklung
  • Martin Fritz | Moderation

20. August 2014, 19:00 | Neubaugasse 25, 1070 Wien
hinterhof kontrovers #5 | (Alb)traum Partizipation?

  • Peko Baxant | SPÖ Wien, Gemeinderat der Stadt Wien
  • Rolf Lautenschläger | Buchautor und Redakteur, TAZ
  • Christina Steininger | Raumplanerin, nonconform architektur vor ort
  • Martin Fritz | Moderation

3. September 2014, 19:00 | Neubaugasse 25, 1070 Wien
hinterhof kontrovers #6 | Urban Crowds

  • Heinz Feldmann | Initiator der Baugruppe Nordbahnhof
  • Monika Mokre | Vorsitzende der “Forschungsgesellschaft für kulturökonomische und kulturpolitische Studien (FOKUS)”
  • Paul Beyer | Vorstandsmitglied Respekt.net
  • Martin Fritz | Moderation

Weitere Informationen finden sich unter www.hinterhofkontrovers.at

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