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Fragen an den Wettbewerb zur Neubebauung der Riedenburgkaserne

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Die ARGE Riedenburg plädiert für die Rückkehr zu den Inhalten der Ausschreibung von 2012, welche eine sanfte Stadtentwicklung ermöglicht. Das Areal ist stadthistorisch bedeutsam und eine der letzten bebaubaren zentrumsnahen Flächen in der Stadt. Wir sprechen uns außerdem gegen das Paradoxon aus, identitätsstiftende Merkmale künstlich schaffen zu wollen, wenn gleichzeitig vorhandene bauliche Identitätsmerkmale beseitigt werden.

Beim Kolloquium kommenden Dienstag dürfen die 17 nach einer Bewerbung ausgewählten Architektenteams den Eigentümen und den Juroren Fragen stellen. Die ARGE Riedenburg stellt zentrale Problemfelder bereits jetzt zur Diskussion:

„Ziel des Projektes ist es auf dem rund 3,7 ha umfassenden Areal, ein lebendiges, attraktives und zeitgemäßes städtisches Wohn-Quartier zu schaffen, das einen angemessenen Eingang zur Innenstadt der Weltkulturerbestadt Salzburg darstellt und sich durch seine Nutzungsmischung, seine städtebauliche Form und seine differenzierte architektonische Qualität mit der gewachsenen Struktur des Stadtteils Riedenburg vernetzt und ebenso eigenständig einen urbanen lebenswerten Raum bildet.“ An anderer Stelle heißt es: „Das neue Quartier soll eine Adresse bilden und Identifikationspunkt.“

Diese Zielformulierungen in Eingangsstatements zur Wettbewerbsauslobung, die jeder Architekt und Stadtplaner unterschreiben wird, sind völlig richtig, besonders bei dieser wohl letzten derartig großen Planungsaufgabe im Zentrum von Salzburg: Ein wesentliches Element in innerstädtischen Quartieren bildet die funktionale Durchmischung. Das Kleingedruckte in der Auslobung degradiert dieses Ziel jedoch zur Worthülse. Geschäftsflächen, Büroräumlichkeiten und Kindergarten gibt es nur im schmalen Streifen an der Neutorstraße und zufällig, weil im Süden des Areals ein aufrechtes Mietverhältnis mit einem Autohaus besteht. Der Rest ist zu 100% reines Wohnen. Zwangsläufig sind damit Wohnungen auch in den Erdgeschossen zu planen, genau dort also, wo sie in einem Innenstadtquartier meist nichts verloren haben. In weiten Teilen wird die ehemalige Riedenburgkaserne monofunktional genutzt werden. Das ist das Gegenteil von Lebendigkeit, Offenheit und Attraktivität.

Die städtebaulichen Studien, welche die Grundlage des Wettbewerbes bilden, lassen eine 0815-Anlage erwarten – mehr bedauerlicherweise nicht. Das Besondere des Ortes auch mit seinem geschichtlichen Hintergrund ist nicht spürbar. Die teilnehmenden Architektenteams sind verpflichtet, das GFZ-Limit von 1,26 auszureizen. Für Freiräume, also den Mehrwert eines jeden Quartiers besteht damit kein Spielraum mehr. Das GFZ–Kriterium ist für die städtebauliche Entwicklung eines Quartieres untauglich. Die Berechnungsmethoden erlauben beispielsweise de facto keine Loggien und auch keine Baukörperaufständerungen (für Durch- und Weitblicke zur ebener Erde).

Die Bauträger nennen als erstes Planungsziel die „Vollausnutzung der Bebauungsdichte – Geschoßflächenzahl“, die mit insgesamt 1,26 um rund ein Drittel höher ist als die beim Verkauf (damals eine rechtsgültige GFZ von 0,9, im gewerblichen Teil an der Neutorstraße GFZ von 1,1; vgl. SIVBEG, Riedenburg Kaserne, Ausschreibung, 2012, S. 19 weiters: Städtebauliches Entwicklungskonzept Riedenburg, MA 5/03, Oktober 2013). Die Eigentümer müssen jeden über diese Widmung hinausgehenden Quadratmeter dem Liegenschaftsverkäufer SIVBEG teuer – um bis zu je 650,- Euro zusätzlich – abkaufen.

Die zusätzlich gekaufte Kubatur setzt das Vorhaben und den selbst formulierten Anspruch mehrfach unter Druck: Sie erschwert massiv die Einbettung des Ensembles in den Stadtteil, das – in der Pufferzone des Weltkulturerbes gelegen – direkt an die Altstadtschutzzone anschließt. Obwohl die Auslober einen „Identifikationspunkt“ wünschen, werden die vorhandenen identitätsstiftenden Bauwerke dem eindimensionalen Kubaturdrang kaum standhalten. Im Auftrag der Stadt haben bereits vor mehreren Jahren kompetente Wissenschaftler das Hauptgebäude der Kaserne und das Nachbarhaus an der Moosstraße, das ursprünglich den Turn- und Fechtsaal aufnahm (beide um 1890) sowie die Reithalle (1926) als erhaltenswert eingestuft. Zudem wurde die traditionsreiche Kaserne als Ensemble gewürdigt. Der entsprechende Erhebungsbogen ist nicht auffindbar, bei der Erstellung des Bebauungsplans wurden die drei Erhaltungsgebote ignoriert.

Auch andere Bauwerke wie jene der 1930er Jahre im Nordwesten des Areals würden durchaus Potenziale für ein intelligentes Weiterbauen bieten. Die Bauträger wollen aber das genaue Gegenteil, einen primitiven Totalabbruch und Neubebauung einer leeren Fläche.

Zum Abbruch der geschützten Biedermeiervilla wollten die Auslober die Architekten im Entwurf für die Wettbewerbsrahmenbedingungen folgendermaßen einladen: Für den alternativen Ersatzbau ist „die qualitative Verbesserung der städtebaulichen Situation, mit ihren Sichtbeziehungen zum Rainberg und Anknüpfungen zur Altstadt sowie die wirtschaftliche Notwendigkeit nach § 59 Abs. 2 ROG 2009 als Voraussetzung für die Beantragung der Aufhebung dieses Erhaltungsgebotes nachzuweisen.“

Diese Abbruchgelüste konnten wohl abgewendet werden, bei der Riedenburghalle von 1926 hat der Gestaltungsbeirat auf die Ambitionen der ARGE Riedenburg folgendermaßen reagiert: „Es soll den Architekten freigestellt werden, wie sie mit dieser bestehenden, identitätsstiftenden Substanz umgehen – ob sie sie erhalten und in das Konzept integrieren oder abbrechen. Es sollten Regelungen bzw. Rahmenbedingungen überlegt werden, die es attraktiv machen, die Halle zu erhalten. Es wird angeregt, überlegungen bezüglich der Nutzungen der Halle durch Festspiele, die Stadt oa. anzustellen und Nutzungskonzepte zu entwickeln.“

Stadtverwaltung und -politik sind gefordert, prompt reagierten die Auslober: Ihr Statiker prognostiziert dem als Sporthalle verwendeten Bauwerk plötzlich „sicherheitsrelevante Erfordernisse“.

Die ARGE Riedenburg sieht in der vernachlässigten, historisch aber bedeutsamen Riedenburghalle ein vorhandenes Raumpotenzial, das sich als „Identifikationspunkt“ für ein Weiterbauen am Stadtteil geradezu aufdrängt. Die Riedenburghalle wurde übrigens in einer wirtschaftlich enorm schweren Zeit von Stadtgemeinde Salzburg als Ersatz für die zum Festspielhaus umgebaute Winterreitschule in der Hofstallgasse finanziert, gebaut und dem Militär übergeben. Hier ist also ein stadtgeschichtlich interessantes Identifikationspotenzial vorhanden, das nicht einer „Tabula rasa“-Mentalität zum Opfer fallen soll, sodass eine in großen Bereichen monofunktionelle Wohnanlage entsteht.

Die Eigentümer gswb und UBM Realitätenentwicklung, die das Areal von der SIVBEG kauften, kündigten damals (am 30. Oktober 2012) ca. 160 geförderte Mietwohnungen sowie 5.400 Quadratmeter freifinanzierte Eigentumswohnungen an, jetzt fordern die Bauträger bereits ca. 350 Wohnungen. 100 davon sind frei finanziert und bilden damit keinen Betrag zum sozialen Wohnbau.

Der in Salzburg steigende Wohnungsbedarf ist eine ernste Herausforderung für die Region. Statt aber jeden der insgesamt auch in Zukunft knappen Bauplätze innerhalb des Stadtgebiets auszureizen (die Grünlanddeklaration ist unantastbar), gilt es, für den Verflechtungsraum mit den Umlandgemeinden sowie Flach- und Tennengau, das angrenzende Bayern etc. Strategien zu entwickeln (z.B. Entwicklungskorridore S-Bahn, besseren Takt, etc.).

Die ARGE Riedenburg fordert Stadtpolitik, Stadtplanung und Auslober auf, zu den ungleich sinnvolleren, und noch nicht ausgereizten Planungsgrundlagen vom Oktober 2012 zurückzukehren, die Erhöhung des Anteils an geförderten Wohnungen erscheint hingegen äußerst sinnvoll.

Es ist das Gebot der Stunde, auf die Vertragsbedingungen der SIVBEG kreativ zu reagieren. Statt dem Kasernenverwerter Geld in den Rachen zu werfen, kann durch die Rückkehr zur baulichen Ausnutzung laut Kaufvertrag ein durchmischtes und lebendiges Quartier entstehen: Statt teuer zusätzliche Quadratmeter zu kaufen, sollen entlang der Durchwegungen die Sockelgeschoße aufgeständert werden, in diesen geschützten Freibereichen können kostenneutrale Nutzungen – z.B. Märkte – positives für Quartier und Stadtteil leisten.

So entstehen wertvolle Freiräume in übertragenem und konkretem Sinn, einerseits für die Erhaltung und Weiterentwicklung vorhandener, identitätsstiftender Bauwerke, andererseits eine wesentlich größere Nutzungsvielfalt. Die Folge ist „ein lebenswertes Stadt- und Wohnquartier mit unverwechselbarem Charakter.“ So lautet schließlich die Ankündigung der beiden Bauträger, die sie ernst meinen sollten.

Salzburg, am 6.12.2013
Dr. Norbert Mayr, DOCOMOMO Austria (Tel. +43 699 12708526) eh.
Dr. Roman Höllbacher, Künstlerischer Leiter Initiative Architektur (+43 662 879867) eh.
Arch. Dipl.-Ing. Udo Heinrich, Vorstandsmitglied Initiative Architektur (+43 662 829110) eh.
Arch. Dipl.-Ing. Tom Lechner, Präsident der ZV – Zentralvereinigung der Architekten Österreichs, Landesgruppe Salzburg eh.

riedenburghalle innen foto: arge riedenburg

2 Kommentare zu “Fragen an den Wettbewerb zur Neubebauung der Riedenburgkaserne

  1. Ich bin absolut kein Sportsfreund, als Schüler des Akad Gym musste ich dort immer Turnen. Die Halle ist einfach nur grässlich. Wie sowas schützenswert ist? Da geht es wieder mal um verhindern, oder was?

  2. also ich unterstütze die arge rainberg mit ihrem anliegen!

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