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Um+Bau+Kultur Salzburg: Die GANZE Stadt

4 Kommentare

Offener Brief über Fragen und Rätsel zur Nachnutzung der Rauchgründe Salzburg

Die überparteiliche Experten-Initiative „Um+Bau+Kultur Salzburg“ (in der Folge als „UBK Salzburg“ abgekürzt) hat sich intensiv mit den Rauchgründen in Salzburg-Lehen und dem laufenden geladenen Architektenwettbewerb beschäftigt, zu dem Anfang Mai die Jury tagen wird.

„Ziel ist es“ laut Präambel von Projektentwickler Prisma, „Lehen mit einem identen lebendigen Stück Stadt zu bereichern, das auch für die Umgebung wirksam ist.“

UBK Salzburg fordert die Verantwortlichen auf, kein „identes“ zu schaffen, sondern ein viel-fältiges „lebendiges Stück Stadt“, das die identitätsstiftenden Qualitäten des historischen, in Salzburg einzigartigen Industrieensembles mit dem alten Silogebäude als markante Landmark für den Süden des Stadtteils, weiterentwickelt. Exponenten von UBK Salzburg haben dies auch schon lange vor Beginn der Planungen gefordert. Eine „idente“, also sich gleichende, uniforme und gar für „die Umgebung wirksame“ Verbauung darf jedenfalls nicht entstehen, davon gibt es schon genug in Lehen.

Trotz monatelangem, sogenanntem Workshopverfahren im Vorfeld des Wettbewerbs besitzt der solcherart entstandene Masterplan eklatante Fehler (falsche Gebäudemaße, fehlender Nachbarabstand zum Grünland). Trotzdem wird den Wettbewerbsteilnehmern dringend nahegelegt, den Masterplan als Grundlage ihres Projekts zu verwenden, paradoxerweise bringen willige Korrekturversuche der falschen Vorgaben das im Masterplan knapp und eng gesetzte Gefüge von Bauwerken zu Fall. Der rigide unausgegorene Masterplan als Vorgabe an die Architekten mit äußerst wenig Spielraum für deren kreative Kompetenz sowie der geplante Abriss des Silos von 1912 machen das Szenario der Projektenwickler PRISMA zur realistischen Bedrohung.

hier das gesamte Schreiben als PDF zum DOWNLOAD

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Autor_innen

  • Dr. Norbert Mayr, Freier Architekturhistoriker, Stadtforscher
  • Mag. Jana Breuste, Freie Architekturhistorikerin, Lehrbeauftragte für Bauen im Bestand an der Universität Innsbruck, Abteilung Baugeschichte
  • Dipl.-Ing. Uli Staebner, Architekt
  • Dr. Hannes Augustin, Biologe
  • Ass.-Prof. Dr. Sigrid Brandt, Universität Salzburg, Abteilung Kunstgeschichte
  • Dr. Gertrud Frauenberger, Coaching Supervision

Foto: © Norbert Mayr

4 Kommentare zu “Um+Bau+Kultur Salzburg: Die GANZE Stadt

  1. Ein kurzer kommentar:
    Einiges deckt sich mit den forderungen und erarbeitungen des masterplanes 2012-2013. Einiges nicht, weil unwissend und unrichtig dargestellt.
    Wichtig erscheint die „kultur des genius loci“ aufzuspüren und in der erforderlichen nutzungsänderung weiterhin spürbar zu belassen. Gleichzeitig ein besonderes stück stadt zu entwickeln, dass sich gegenüber den nachbarschaften öffnet und eine bereicherung anbietet. Blosser vorsorge- und sozialwohnbau wird die nachbarschaften nicht bereichern.

    Im masterplan mai 2013 wurden diese chancen des mehr, des sensiblen bewahrens und re-use einiger industriehistorischer baustrukturen angeboten. Weder die stadt noch die betreiber wollten diese option zumindest mittelfristig trotz nutzungskompensation in der neuauflage des masterplanes 2014 nicht wahrnehmen.
    Viele versuche von studentischen wohnen, kunstdepot, schauspiel-zirkusschule, kletterausbildung, lofts für arbeiten&wohnen, tanzstudio, repair-cafe, medizincluster, anmietbare lager und kleinstwerkstätten für den hausgebrauch und jugendliche usw. wurden nicht weiterverfolgt. Ein weiterer trauriger versuch stadtplanung zu „pimpen“ ist wohl fast gescheitert.

    Wahrscheinlich sind andere deals gelaufen die bestenfalls lauten:
    wohnen wohnen wohnen (ohne stadt).

    Dies ist alles nicht eine frage des kennzahlenfetischmus (bebauungszahlen der dichte), denn wie wir wissen ist kompakte stadt – wenn diese vielfältige nutzungen vorsieht – die lebenswerteste und touristisch höchst wahrgenommene. Also keine angst vor höhen und überkommenden REK-festlegungen. Die Stadt als soziale organismus verändert sich laufend.
    Es ist nur die frage, und da bin bei den autoren des beitrages, wie komplex und vielschichtig.

    Der tod der europäischen stadt wird durch zwei phänomene kultiviert:
    wohnbau und shoppingwelt.
    Wenn also der nachhaltigkeits- und smartcityquatsch und lobbying von stadtplanungen unreflektiert nachgeplappert wird, anstatt gegenzusteuern, dann wird man ziemlich unglaubwürdig. Die sorge vom „verlust der investoren und bauträger“ woanders sich zu engagieren, zeugt von der unwissenheit einer selbsteinschätzung des tripleA unserer städte wie salzburg und wien.

    http://www.maxrieder.at/index.php?inc=projectSelection&id=142:2473
    maxRIEDER

  2. Lieber Max Rieder,

    unser Anliegen ist es, dass stadtbildprägende Bausubstanz mit Bedacht weiterentwickelt wird. Die von uns durchgeführten Berechnungen zur Dichte sollten zeigen, dass der von der Stadt an die Investoren vergebene „Dichtebonus für die Erhaltung“ nicht nur oft missbraucht wird (Stichwort: Entkernungen sind keine Erhaltung!), sondern auch zusätzlich den Druck auf den Baubestand erhöht und damit der genius loci (bestehend aus Bausubstanz, Baumbestand etc.) noch mehr als ohnehin schon in Bedrängnis gerät. Zudem sollte gezeigt werden, dass die Stadt die Bürger bewusst über die tatsächliche GFZ täuscht und nicht mit offenen Karten spielt, was die Dichte angeht.

    Die angemessene Dichte in der Stadt ist von Bauplatz zu Bauplatz gesondert zu betrachten, eben mit Blick darauf, was der jeweilige Ort verträgt. Wir sind nicht gegen Dichte in der Stadt, denn erst diese produziert ja das Gefühl des „Städtischen“. Städtebau ist bekanntlich das Schaffen von Räumen in der Stadt, nicht nur Gebäuden, sondern eben vor allem ihren Konstellationen und den Freiräumen dazwischen. Diese Räume funktionieren nur im Wechselspiel von Dichte und Freiraum, Enge und Weite und werden dadurch attraktiv. Dieses sensible Gleichgewicht für den jeweiligen Ort zu entwickeln ist eine große Herausforderung.
    Am Areal der Rauchmühle sind wir der Meinung, dass die Dichte von 1,34 zu hoch ist – auch und vor allem, wenn der Baubestand dazwischen seine Wertigkeit behaupten soll. Und wenn man schon eine hohe Dichte umsetzen will, sollte man auch nachhaltig denken und angemessene, moderne Mobilitäts- und Verkehrskonzepte anstreben, anstatt das Areal großzügigst zu unterkellern für 300 Parkplätze. Dass auf der geringen Erdschicht darüber nur niedrige Bäume und Sträucher wachsen werden, wird das niemanden verwundern.

    Ein vielschichtiger Nutzungsmix macht das neue „Stück Stadt“ lebenswerter. Wie bei der Siegerpräsentation verkündet wurde, soll das norwegische Büro Helen & Hard diesen zum Projekt beitragen: https://www.stadt-salzburg.at/internet/service/aktuell/aussendungen/2015/rauch_muehle_mit_oeffentlichem_park_an_d_424957.htm Es wäre schön gewesen, wenn die Betreiber hier genauere Vorgaben gemacht hätten, z.B. gemeinnützige Vereine vorgeschlagen hätten. Mit solchen hätten auch Szenarien zur Nutzung des Baubestands im Vorhinein entwickelt werden können. Das sind Chancen, die vermutlich vertan wurden.

    Wir laden dich ein, mit uns und Salzburger Bürgern zu diskutieren und zwar am Donnerstag, 21.05.2015, 16.30 Uhr in der Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge zur Rauchmühle im Stadtwerke-Hochhaus.

    Herzlich,
    die Initiative Um+Bau+Kultur

  3. liebes Expertenteam,
    nun ist der Wettbewerb seit einiger Zeit entschieden. Da wäre eine Reflexion auf das Ergebnis im Lichte Ihrer Vorabkritik zum Wettbewerb ein würdiger Abschluss
    meint
    Christian Hirl

  4. Lieber Herr Hirl,

    vielen Dank für die Anregung! Natürlich haben wir nach der Wettbewerbs-Siegerpräsentation auch schon wieder Texte verfasst. Ich sende Ihnen unsere Empfehlungen an die Workshop-Mitglieder zur Ausarbeitung des Gemeinschaftsprojektes des Siegers Lukas Schumacher mit Helen & Hard anbei. Wenn Sie es einstellen könnten, wäre das wunderbar.

    Hier noch zur Erläuterung, da das nicht alles so im Dokument stand. Vielleicht verwenden Sie dies als Einleitung und hängen das Dokument einfach dazu?:

    Architekt Lukas Schumacher und Landschaftsplaner Joachim Kräftner, beide Wien, gewannen Donnerstag, 7. Mai 2015, den Wettbewerb für die Verbauung der Rauchgründe in Salzburg-Lehen, mit rund 240 Wohnungen nach der Riedenburg eines der letzten großen Wohnbauvorhaben in der Stadt Salzburg.
    Das Leitprojekt wurde von der Jury (Leitung: Marie-Therese Harnoncourt, Vorsitzende des Gestaltungsbeirats) mit dem norwegischen Büro Helen & Hard zusammengespannt, die sich vor allem Gedanken über eine bunte Nutzung des Areals gemacht hatten, die ins Viertel ausstrahlen könnte. Nach der Devise: „vom Waschsalon bis zum Kreativbüro“. Schumachers Entwurf überzeugte die Jury durch eine klar erkennbare Nord Süd-Achse mit Freistellung des historischen Ensembles, die Öffnung des Werkkanals, die zur Glan durchlässiger werdende Struktur
    und letztendlich auch durch die „faire Verteilung“ der geförderten und freifinanzierten Wohnungen. Soweit die Informationen aus der Presseaussendung der Stadt.

    Das Siegerprojekt hat sich durch die Verweigerung der Verlegung des unterirdischen Glanmühlbaches und die Reaktivierung der alten Durchwegung des Areals entlang des geöffneten Mühlbaches nicht gänzlich an die problematischen Vorgaben des Masterplans gehalten. Damit gewann ein Projekt, das landschaftsarchitektonische Qualitäten mit Verweilcharakter besitzt und den Mühlbach historisch richtig mit harten Kanten als Kanal attraktiv inszeniert. Das alte Silogebäude von 1912 – zusammen mit Villa und Mühlengebäude wesentlicher Teil des gründerzeitlichen Industrie-Ensembles Fißlthaler Mühle – jedoch wird darin gemäß der Vorgaben des Masterplans auch nicht erhalten. Auch das Siegerprojekt hatte die durch einen Dichtebonus von 1,15 auf 1,34 GFZ hochgesetzte Dichte zu erfüllen.
    Bei der Siegerpräsentation erklärte die Stadtplanung, dass dieser Bonus nicht – wie noch zuvor argumentiert – vergeben wurde, um den eingeforderten Erhalt von Teilen des historischen Bestand zu kompensieren, sondern für die Flächenabtretung zur Errichtung eines öffentlichen Parks an der Glan. Ein Dichte-Bonus im Tausch gegen Abtretung hochwertiger öffentlicher Flächen wäre ja schließlich auch im Sinne der Salzburger. Eine höhere Dichte auf der Restfläche im Tausch gegen Freiräume ist allerdings ein fragwürdiger Handel.
    Auch bei Schumacher sind die Baukörper zu eng gesetzt, die Zäsuren zwischen den Zwei- oder Dreiergruppen sind oft ebenfalls zugebaut. Für diese Bereiche fordert die Jury zu Recht eine Überarbeitung, um mehr Durchlässigkeit herzustellen.

    Die Initiative Um+Bau+Kultur Salzburg machte mit dem angehängten Dokument konstruktive Vorschläge für das konkrete Siegerprojekt für den nun folgenden Workshop-Prozess zur Weiterentwicklung im Sinne ihrer zentralen Forderung, das Ensemble Rauchmühle sensibel, bestands- und ressourcenschonend weiterzuentwickeln.

    Herzlich,
    Jana Breuste

    vorschläge-zur-verbesserung-siegerprojekt-rauchmühle_ubk-salzburg_29052015.pdf

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