otto kapfinger – mit einer kleinen, sehr feinen veranstaltung in der kunsthalle am karlsplatz wurde dieses neue opus von gottfried pirhofer in die öffentlichkeit entlassen – oder besser gesagt: auf die startrampe eines hoffentlich und zweifellos eintretenden, gebührenden erfolgslaufes gebracht.
es ist der große verdienst von dieter bandhauer, dass er mit der allerersten buchpublikation des verlages 1984, dem immer noch lesenwerten „wien-band“ mit 57 bild- und textpassagen über dem zeit- und ortsraster des ulysses mit fotos von karin mack und texten von 18 verschiedenen autorinnen, dieses genre der stadt-essays ansprach – und in abständen mit wichtigen werken weiterverfolgte, bis zu franz e. kneissls „eine ratte namens apfel“ und jetzt zu pirhofers „maria hilf“, wobei pirhofer gleichsam indirekt bei kneissl fortsetzt und ihn nachträglich ebenfalls wieder ins blickfeld der reflexion holt, hat er doch mit eberhard wichtige gemeinsame texte und projekte erarbeitet, die ebenfalls eine eben nicht so vorlaute inszenierung pflegten, wie die sonstigen elaborate der szene, dafür umso feinsinnigere, tiefer sondierte, präzisere analysen und interventionen anbietend……..
indirekt wird auch ein anderer, leider auch zu früh verstorbener stadtforscher und -schreiber im buch reflektiert – leopold redl, der mit adi krischanitz jene studie zur mariahilferstraße vorgelegt hatte, die gottfried nun mehrmals im kontrast zur jetzigen „mahü“ erinnert….
die textarbeiten von kainrath, redl, kohoutek, pirhofer zur wiener stadt- und planungsgeschichte als synopsis versammelt – was für ein schatz an wissen und sensitivität und gedanklicher energie – und wen hat das in den vergangenen jahrzehnten hier interessiert, zum adäquaten handeln inspiriert?………………
bei der gelegenheit wiederhole ich meinen vorschlag, dass dieses „maria hilf“-buch eigentlich besser geeignet sei, das von der gemeinde jährlich kostenlos in großer auflage verteilte „wien-buch des jahres“ zu sein, als nächstes, – das mit weit mehr gewinn an geistestransfer rechnen könnte, als z.b. der heuer verteilte band von t.c. boyle….so bedrückend dort das thema ist, so kolportagehaft doch die vermittlung…..
fritz achleitner hat in einem wunderbaren vorwort die qualitäten von pirhofers beobachtungs- und sprachfähigkeit mit in der kürze schwer übertreffbarer klarheit beschrieben. mir fiel dazu gestern noch ein, vermochte es aber nicht mehr zu sagen – nachdem dieter bandhauer diese frage nach dem verhältnis zwischen „organischem“ und „regelhaftem“ in der stadtwirklichkeit angesprochen hatte.
das organhafte denke ich weiter als das sogenannte „chaotische“, in seiner komplexität im moment überhaupt nicht fassbare energiegeflecht von leben – in allen maßstäben….
jede planung versucht diesem konfliktträchtigen (natur ist unausgesetzter konflikt) status mittels regelungen und kanalisierungen sozusagen struktur, „ordnung“ und „haltung“ zu geben, wobei wir nach foucault und anderen wissen, was ordnungen aller art immer auch implizieren……
nun ist es eben so, dass die planungen bei wachsender komplexität der lage oder bei entsprechenden schüben in der dynamik des ganzen mit der rigidität des reduktiven durchgreifens zum erfolg kommen wollen – wie beim schachspiel, wo ein zu komplex gewordenes mittelspiel mitunter durch wilde figurenopfer und -abtäusche auf die wieder überschaubare lage weniger figuren heruntergestutzt wird (….die opfer stehen/liegen dann neben dem brett…)…..
im umgang mit stadt und architektur ist seit 2 jahrzehnten oder mehr auch so ein abwerfen von „ballast“ sichtbar, die verfeinerten soziostechnischen und typolgischen geistesnetzwerke der 70er und 80er jahre sind out, die planungskomplexität reduziert sich auf die sicht der „macher“, der punktuell agierenden investoren, die architekturszene denkt nur mehr in attraktiven objekten, losgelöst von inhaltlichen ansprüchen.
die stadt-musik, die so ensteht, ist dann eher eindimensional. – als vergleich in der musik: die musik einer stadt benützt und spielt unentwegt alle 87 tasten eines klaviers, das ganze klavier! – manche tasten mehr, manche weniger, aber es schwingen immer alle 87 mitsamt ihren weiteren obertönen mit, ebenso gibt es lebhafte variationen der pedalarbeit, eine gespannte dynamik, sehr komplexe rhythmen – durchhörbar für jene, die ihre ohren weit genug offen haben und keine vorurteile – das wäre das „chaotische“ summen des urbanen lebens – in allen facetten aller orte.
die derzeitige, seit längerem angebahnte planungswirklichkeit der politischen und architektonischen szenen macht das gegenteil – sie benutzen nur mehr ein ganz kleines segment der riesigen tastatur, ja sie nehmen gar nicht mehr wahr, was die übrigen tasten daneben immer noch spielen oder spielen-, mitspielen könnten – und noch dazu wird immer nur auf das forte-pedal gedrückt, sodass selbst diese wenigen töne verschwimmen und sich undifferenziert verkleben und intransparent werden……
na ja, – diese in vielen unterschiedlichen textformaten aufgespannte geschichte von gottfried pirhofer beherrscht eben diese ganze tastatur, vielfältige rhythmen, und kann anstandslos von dur in moll, von den bässen zum diskant, vom largo zum presto wechseln, vom inneren dahinmäandrierenden monolog zur blitzartigen expertise, von poetischer grazie zu chirurgischen entblößungen – und das manchmal innerhalb von einem oder von ganz wenigen sätzen sogar – das ist eben die kunst des essayistischen, einer an sich „kleinen form“, dafür umso wendigeren, wenn man sich darauf versteht.