Brigitta Schmidt-Lauber – „Stadt“ treibt die verschiedensten Köpfe, Arbeitsbereiche und Typen um, evoziert zu verschiedenen Zeiten verschiedene Emotionen, sie stößt ab oder lockt an. Landflucht und zu anderen Zeiten Stadtflucht sind Barometer wechselnder gesellschaftlicher Ideale und Normen. Heute sind es unübersehbar Urbanisierungs- und Reurbanisierungsprozesse, welche die globale Städtelandschaft prägen. So lebt seit 2007 weltweit bereits mehr als die Hälfte der Menschen in städtischen Räumen. Nicht nur sozial und ökologisch stellen sich daher Herausforderungen.
In der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit für Städte ist ein spezifischer bias zu beobachten: Das allgemeine Interesse richtet sich ganz besonders auf Großstädte, Metropolen und Mega Cities, die in dichtem Bezug zueinander stehen, darin nationale Grenzen sprengen und den Einfluss von Nationalstaaten auf das Leben in diesen Städten reduzieren. Die US-amerikanische Soziologin Saskia Sassen hat in den 1980er und 1990er Jahren Global Cities zum Thema gemacht und sie als Ausdruck der zunehmenden ökonomischen, sozialen und ideellen Globalisierung beziehungsweise Vernetzung beschrieben.
„Stadt“ wird im allgemeinen Vorstellungsbild also weithin mit Großstadt, mit großen und sehr großen Städten verknüpft, und so stehen in Europa Städte wie Berlin, Paris, Rom, Wien oder London im Zentrum gesellschaftlicher und wissenschaftlicher Aufmerksamkeit und werden als paradigmatische Orte postindustrieller Gesellschaften gehandelt. Andere bzw. kleinere Städte kommen demgegenüber selten beziehungsweise nicht als Beispiele für urbanes Leben in den Sinn – dies wiewohl Großstädte in den Ländern Europas und vielfach darüber hinaus keineswegs den Lebensmittelpunkt für die Mehrheit der Menschen bilden. Dennoch werden Städte jenseits von Großstädten, Metropolen und Global Cities vergleichsweise wenig behandelt und wenn auffällig stark aus der Perspektive westlicher Metropolen thematisiert. 2006 legte die britische Geographin Jennifer Robinson dieses bemerkenswerte Ungleichgewicht der Aufmerksamkeit gegenüber unterschiedlichen Formen und Größen von Städten offen und forderte in ihrem inspirierenden Buch „Ordinary Cities“ dazu auf, verstärkt Städte „off the map“ zu untersuchen. Aus der Perspektive der postcolonial studies kritisierte sie damit den Zentrismus der Stadtforschung auf westliche Großstädte der nördlichen Hemisphäre. Auch die Geographen Tim Bunnell und Anant Maringanti kritisieren diesen bias als „Metrocentricity“ (2010) und suchen ihn mit Blick auf den asiatischen Raum zu brechen.
Tatsächlich scheint die Sensibilität gegenüber Städten und Stadtleben jenseits westlicher Metropolen und World Cities interdisziplinär zu steigen. 2006 nahmen die britischen Kulturgeographen Mark Jayne und David Bell unter dem Titel „Small Cities“ „vergessene“ Stadttypen in den Fokus. Zu diesen zählen Kleinstädte sowie Städte, die wir1 in einem Forschungsprojekt am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien „Mittelstädte“ nennen (siehe). Vorausgegangen war dieser Forschung eine ethnographische Studie zum alltäglichen Leben in der deutschen Universitätsstadt Göttingen sowie eine interdisziplinäre Tagung an der Universität Göttingen im Jahr 2009, die uns die Relevanz und das Potential des Themas aufzeigten.
„Mittelstadt“ ist alltagssprachlich kein geläufiger Begriff – regelmäßig wird bei der Vorstellung des Themas angenommen, wir arbeiteten zum Mittelstand. Aber administrativ ist der Terminus durchaus üblich. Die Verwaltung in Deutschland nutzt Mittelstadt als zentrale Kategorie der Ordnung von Städten, die neben Groß- und Kleinstadt Städte einer bestimmten Größe benennt. Bemerkenswerterweise folgt sie diesbezüglich noch immer der numerischen Definition der deutschen Reichsstatistik von 1871, die von der Internationalen Statistikerkonferenz 1887 festgeschrieben wurde, der zufolge Städte von 20.000-99.999 Einwohnenden „Mittelstädte“ und Städte ab 100.000 Einwohnenden „Großstädte“ sind bzw. durch die Klassifikation zu solchen gemacht werden. Die Verwaltung folgt auch im 21. Jahrhundert dieser Einteilung, wiewohl sich städtisches Leben seit Ende des 19. Jahrhunderts erheblich gewandelt hat. Aus der Raumforschung und Planung kamen deshalb Vorschläge zu anderen Größeneinteilungen. So wird dort auch mit einer Einwohnergrenze gearbeitet, die Städte mit 50.000 bis 250.000 Einwohnenden als Mittelstädte fasst (Brigitte Adam).
Einwohnerzahlen sind in vieler Hinsicht eine problematische Größe zur gewichtenden Ordnung von Städten, so sagt die Zahl an sich wenig über die Bedeutung einer Stadt aus – man denke nur an Scheinriesen wie Zürich oder Frankfurt am Main. Zudem kann sich die Bemessung des „Mittleren“ historisch – etwa Städte im Mittelalter im Unterschied zu Städten der Gegenwart – und auch national bzw. regional sehr unterscheiden – man denke nur an den Unterschied an Zahl und Größe von Städten in Deutschland und Österreich. Das belegen auch die Städte, die wir für unsere ethnographische Studie ausgewählt haben: Wels in Oberösterreich und Hildesheim in Niedersachsen (Deutschland). Wels zählt knapp 60.000 Einwohnerinnen bzw. Einwohner und liegt damit am unteren Ende des offiziellen Einwohnerzahlenspektrums für Mittelstädte, dennoch ist es die achtgrößte Stadt von ganz Österreich. Im Unterschied dazu liegt Hildesheim mit 100.000 Einwohnenden am oberen Ende des Einwohnerzahlenspektrums für Mittelstädte und ist damit dennoch nur die siebtgrößte Stadt Niedersachsens.
Auch funktionale Eigenschaften wie administrative Stellung in der Region als Mittel- oder Oberzentrum, Infrastruktur und/oder ökonomische Funktion sind Kriterien zur Kategorisierung von Städten. Nicht selten sind Mittelstädte sogenannte „second cities“ einer Region bzw. eines Bundeslandes – auf jeden Fall trifft das auf die von uns untersuchten zu –, die zwar im Schatten des jeweiligen regionalen Zentrums (meist Landeshauptstadt) stehen, aber unverkennbar Relevanz und Streukraft für die Region haben und spezifische Ressourcen und Aufgaben zugeteilt bekommen.
In unseren Forschungen analysieren wir Mittelstädte aus der Perspektive der empirischen Alltagskulturwissenschaft Europäische Ethnologie und fragen nach den Kennzeichen des alltäglichen Lebens in Städten wie Göttingen, Wels oder Hildesheim. Aus dieser Sicht fallen Aspekte wie die Topographie von Mittelstädten mit einem multifunktional genutzten Stadtzentrum sowie in der sozialen Struktur, Atmosphäre und Architektur unterscheidbaren Stadtteilen mit jeweils basaler Infrastruktur für das tägliche Leben (ein Supermarkt, Bäcker, Kiosk/Trafik etc.) auf, die dennoch den Versorgungsgang in die Innenstadt oder in die Einkaufszentren an der städtischen Peripherie nicht ersetzen. Auch das Vorhandensein eines nahezu flächendeckenden öffentlichen Verkehrsnetzes ist ein Merkmal. Es existiert hier im Unterschied zur Kleinstadt, steht aber zeitlich nur eingeschränkt zur Verfügung (etwa nicht an Abendstunden, Wochenenden etc.). Genutzt wird der öffentliche Verkehr, der meist nur auf einem Busnetz und/oder Straßenbahnen basiert, von einem spezifischen Personenkreis (bevorzugt Kinder mit oder ohne Mütter/Väter sowie Seniorinnen und Senioren). Eine U-Bahn – zentrales Symbol der Großstadt und paradigmatisch für die Erfahrung großstädtischer Anonymität bei gleichzeitiger physischer Nähe (Rolf Lindner und Barbara Lang) – fehlt. Weitere Merkmale sind ein dichtes soziales Gepräge („man kennt sich“) sowie soziales und alltagsgeschichtliches Wissen über Orte und Menschen.
In unseren teilnehmenden Beobachtungen bei diversen Anlässen und Gesprächen mit unterschiedlichsten Bewohnerinnen und Bewohnern, bei Stadtrundgängen und im Mitleben vor Ort fiel ganz besonders auf, dass sich allerorts Anlässe für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Leben in dieser Stadt ergeben, die Stadt stark bewertet wird und dafür auf andere Städte und zwar besonders auf Großstädte Bezug genommen wurde. Wels wurde im Vergleich zu Wien beschrieben, Hildesheim durch Unterscheidung von Berlin oder Hamburg charakterisiert, wobei stets eine auffällige Hierarchie mitgedacht war. Die Beschreibungen waren selten neutral und rein sachlich. Vielmehr wurde entweder im- oder explizit ein Städterechtfertigungsdiskurs bedient („es hätte schlimmer kommen können“), die Lebensqualität der Stadt beschrieben als ein Ort, der die Vorzüge der „Stadt“ mit den Annehmlichkeiten des „dörflich Überschaubaren“ verknüpfe, oder aber es wurde in Stadtschelte eingestimmt. Dann wurde das eigene Lebensumfeld als „nichts Halbes und nichts Ganzes“ benannt, moniert „hier ist nichts los“ und so indirekt eine Solidarisierung mit uns Großstädterinnen und Großstädter vorgenommen. [siehe Vortrag im Druck]. In der Tat könnten Mittelstädte ausgehend von den Beschreibungen der Bewohnerinnen und Bewohner treffend „Zwischenstädte“ genannt werden, wenn der Terminus „Zwischenstadt“ nicht schon durch Thomas Sieverts besetzt wäre.2
Die eine spezifische Qualität zuschreibende Bemessung der Mittelstadt zeigt, wie sehr der Metrozentrismus – die normative Ausrichtung zur Reflexion städtischen Lebens auf Großstädte also – alltagsweltlich verankert ist und eine wertende Inbezugsetzung zur Großstadt erfolgt. „Urban“ und „Urbanität“ wird mit pulsierendem großstädtischen Leben bzw. der ästhetischen, semiotischen und historischen Dichte der Großstadt gleichgesetzt, wobei sich das Verständnis von Urbanität an der europäischen Stadt der Moderne ausrichtet, an der andere urbane Räume bemessen werden [siehe]. Auf vielen Ebenen findet ein solches Ranking von Städten statt, das Rangfolgen der Bedeutung und symbolischen „Größe“ von Städten in Bezug auf ganz unterschiedliche Merkmale ausmacht und herstellt. Auch räumlich werden Positionen und Relationen hergestellt, etwa durch scaling devices wie im Falle der vergleichsweise „kleinen“ Stadt Salzburg, die sich durch die Festspiele und die Inszenierung als Weltkulturerbe „groß“ macht und internationale Gäste wie kaum eine andere Stadt in Österreich anlockt. Auch Hildesheim positioniert sich über den Status als Weltkulturerbe, und Städte wie Göttingen oder Heidelberg präsentieren sich als alte Universitätsstädte und schaffen sich darüber Gewicht. Städte versuchen mithin, an globale flows in der symbolischen Ökonomie anzuknüpfen.
Städte stehen heutzutage in zunehmender Konkurrenz zueinander und (er)finden eine Spezifik für sich, die materiell, durch die Verwaltung und das Stadtmarketing, über Architektur und Events produziert und repräsentiert wird [siehe]. Stadt und Stadtgröße wird also stets und zwar in Relation zu anderen (urbanen) Räumen ausgehandelt und geschaffen, was der Begriff „doing size“ in unseren Augen treffend artikuliert. Auffälligerweise verfolgt das Stadtmarketing in den von uns untersuchten Mittelstädten dabei kaum je die Strategie, die eigene Stadt als bessere Alternative zum Großstadtleben zu verkaufen, wiewohl die emisch, also aus Sicht der Bewohnerinnen und Bewohner, oft beschworene besonders hohe Lebensqualität dies nahelegen könnte. Stattdessen scheint immer wieder ein Wetteifern mit großstädtischen Maßstäben und das Bemühen, eine kleine Kopie, eine „Blaupause“ der Großstadt zu sein, durch (vgl. Sabine Baumgart). Dies zeigt die Normativität von Stadtentwicklungstrends, sichtbar etwa auch im aktuellen Imperativ der „Creative Cities“.
Unser Anliegen im genannten Forschungsprojekt ist es, derartige Aushandlungen von Stadt und Städtischkeit zu analysieren und die normativen Ausrichtungen dieser gesellschaftlichen, politischen und wissenschaftlichen Praxen zu benennen. Im Ergebnis möchten wir den normativen Zentrismus brechen und den Begriff Urbanität von der alleinigen Ausrichtung auf einen bestimmten Stadttyp, nämlich auf Großstädte der nördlichen Hemisphäre, entkoppeln. Deshalb nennen wir auch das Leben in Mittelstädten „urban“ und finden in Hildesheim, Wels oder Göttingen „Urbanität“ im Sinne eines „whole way of urban life“. Auch die zunehmende Orientierung auf kreative Prozesse und Akteure (Andreas Reckwitz) sowie der Ausruf der „Creative City“ durch Charles Landry (2000) und in der Folge Richard Florida (2002) lassen den Zentrismus und die Normierung auf ein Ideal von Stadt, das an der Großstadt ausgerichtet ist, erkennen. Nun sollen also Mittelstädte auch in dieser Hinsicht dem diagnostizierten großstädtischen Trend folgen. Allerdings haben wir die aktuell vielbeschworene creative city bzw. industry in Städten wie Wels, Göttingen und Hildesheim (noch) nicht gefunden – oder allenfalls zaghafte Tendenzen. Und so stellt sich am Ende die Frage: Fehlt eine solche (überhaupt)?
Im Oktober 2015 übrigens veranstalten wir gemeinsam mit dem IFK und der Kunstuniversität Linz am Institut für Europäische Ethnologie der Universität Wien eine Konferenz zum Thema „Wir sind nie urban gewesen. Vom Metrozentrismus zur Pluralität des Städtischen“. Auf dieser werden aus verschiedenen Blickwinkeln und Disziplinen „andere Urbanitäten“ in den Blick genommen, wofür zum Beispiel Stadtleben auf anderen Kontinenten oder in temporären oder anderen Städten als Urbanität reflektiert wird. Unter anderem unternehmen wir in diesen Tagen auch eine Exkursion in die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten und betrachten ihr „doing size“ auf materieller und symbolischer Ebene [siehe].
___________________
Autorin:
Univ.-Prof. Dr. Brigitta Schmidt-Lauber
Institut für Europäische Ethnologie
http://euroethnologie.univie.ac.at/
http://www.middletownurbanities.com
http://www.boehlau-verlag.com/978-3-205-79461-5.html
bild: detail skizze by maxRIEDER
Literaturverzeichnis
Adam, Brigitte, Mittelstädte. Eine stadtregionale Positionsbestimmung, in: Information zur Raumentwicklung 8, 2005, S. 495–523.
Baumgartner, Sabine (Hrsg.), Klein- und Mittelstädte – Verkleinerte Blaupausen der Großstadt? Dokumentation des Expertenkolloquiums am 29. April 2004 an der Universität Dortmund. SRPapers Nr. 1, Fachgebiet Stadt- und Regionalplanung. Fakultät Raumplanung. Vervielfältigtes Arbeitspapier, Dortmund 2004.
Bell, David/Jayne, Mark (Hrsg.), Small Cities. Urban Experience beyond the Metropolois, in: International Journal of Urban and Regional Research 34 (2), 2010, S. 415–420.
Bunnell, Tim/Maringanti, Anant, Practising Urban and Regional Research beyond Metrocentricity, in: International Journal of Urban and Regional Research 34 (2), 2010, S. 415–420.
Florida, Richard, Cities and the Creative Class, London 2005.
Landry, Charles, The creative city. A Toolkit for Urban Innovators, London 2000.
Lang, Barbara, Unter Grund. Ethnographische Erkundungen in der Berliner U-Bahn, Tübingen 1994.
Lindner, Rolf/Letsch, Mandy, U-Bahn Ethnologie. Die U-Bahn als paradigmatischer Ort / Metropolis – Metro, in: Kuckuck. Notizen zur Alltagskultur 9 (1), 1994, S. 20–26.
Reckwitz, Andreas, Die Selbstkulturalisierung der Stadt: Zur Transformation moderner Urbanitäten in der „creative city“, in: Mittelweg 18 (2), 2009, S. 2–34.
Reckwitz, Andreas, Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozes gesellschaftlicher Ästhetisierung, Berlin 2012.
Robinson, Jennifer, Ordinary Cities. Between Modernity and Development, London u.a. 2006.
Sassen, Saskia, The Global City, New York 1991.
Sassen, Saskia, The Global City: Intdroducing a Concept, in: The Brown Journal of World Affairs 11 (2), 2005, S. 27–43.
Schmidt-Lauber, Brigitta/Baerwolf, Astrid, Fokus Mittelstadt. Urbanes Leben in Göttingen – Ein Studienprojekt (= Göttinger kulturwissenschaftliche Studien, Bd. 3), Göttingen 2009.
Schmidt-Lauber, Brigitta (Hrsg.), Mittelstadt. Urbanes Leben jenseits der Metropole, Frankfurt am Main u.a. 2010.
Sieverts, Thomas, Zwischenstadt. Zwischen Ort und Welt, Raum und Zeit, Stadt und Land, Braunschweig 1997.
Linkverzeichnis
Eckert, Anna/Schmidt-Lauber, Brigitta/Wolfmayr, Georg: Mittelstadtmarketing. Zur Produktion einer Stadt als Ort, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde 68 (1 + 2), 117 Jg., 2014, online unter: http://www.univie.ac.at/middletownurbanities/wp-content/uploads/2012/02/Eckert-Schmidt-Lauber-Wolfmayr_Ö_ZV-20143.pdf, 2014, eingesehen am 11.6.2015.
Österreichischer Fachverband für Volkskunde/Verein für Volkskunde/Stadtmuseum Dornbirn, Emotional turn?! Kulturwissenschaftlich-volkskundliche Zugänge zu Gefühlen und Gefühlswelten, online unter: http://www.volkskunde.org/wp/wp-content/uploads/2013/05/tagung_dornbirn_2013_folder.pdf, 2013, eingesehen am 11.6.2015.
Schmidt-Lauber, Brigitta, Konferenz „Wir sind nie urban gewesen“, online unter: http://www.univie.ac.at/middletownurbanities/, o.D., eingesehen am 11.6.2015.
Schmidt-Lauber, Brigitta, Begriffliches, online unter: http://www.univie.ac.at/middletownurbanities/begriffliches/, o.D., eingesehen am 11.6.2015.
Schmidt-Lauber, Brigitta, Mittelstädtische Urbanitäten, online unter: http://www.univie.ac.at/middletownurbanities/, o.D., eingesehen am 11.6.2015.
1 Forschungen entstehen durch Diskussionen, und Publikationen sind auch von den Gedanken und Studien namentlich nicht genannter „Koautoren“ geprägt – dieses „wir“ ist hier angesprochen. Im Falle des vorliegenden Textes sind es unterschiedliche Kolleginnen und Kollegen, die sich im- oder explizit eingeschrieben haben. Am genannten Forschungsprojekt „Mittelstädtische Urbanitäten“ arbeiten Georg Wolfmayr, Anna Eckert und Laura Gozzer mit. Zuvor waren auch Wiebke Reinert und Lisa Welzel eingebunden. Bezüglich ethnographischer Einblicke in Göttingen war es eine Studienprojektgruppe, die mir ebenso Anregungen zum Thema gab wie interdisziplinäre Kolleginnen und Kollegen einer Tagung zu „Mittelstadt. Urbanes Leben jenseits der Metropole“.
2 Als Zwischenstadt definierte der Architekt eine Siedlungsstruktur, die weder der Stadt noch dem ländlichen Raum zuzuordnen sei und auf das Phänomen der Suburbanisierung hinweist, also genaugenommen keine Stadt ist.
21. Juli 2015 um 19:24
Wie auch in dem Artikel beschrieben, werden bei der Analyse von sogenannten „Mittelstädten“ meist prominente Großstädte als Vergleich herangezogen. Nur in einem Fall kann diese Herangehensweise meiner Meinung sinnvoll sein. Nämlich dann, wenn die zu behandelnde Stadt in einem Maße wächst, die sie in näherer Zukunft ohnehin zur Großstadt werden lässt.
Geht es aber um „Mittelstädte“ welche sich nicht dem oben genannten Szenario entsprechend verhalten, sollten vielmehr die eigene Stärken sowie Planung mit Bezug auf die Region im Mittelpunkt stehen. Besonders dann darf Stadt nicht als marktrelevante Position gesehen werden, deren Entwicklung nur im Sinne eines globalen-kapitalistischen Wetteiferns passiert.
2. August 2015 um 15:57
Meiner Meinung nach liegt in der Mittelstadt ein Konzept des zukünftigen Lebensraums der Weltbevölkerung. Vor allem in Asien treten momentan, verbunden mit dem extremen Bevölkerungswachstum, starke Landflucht und daraus folgend immer mehr Mega-cities auf. Diese sind bereits jetzt zum Bersten „gefüllt“ und nicht mehr in der Lage mit der immensen Bevölkerungszahl um zu gehen, geschweige denn, die erhofften Verbesserungen der Lebensbedingungen zu bieten, die sie so attraktiv im Vergleich zum Landleben gemacht haben.
Steigt die Weltbevölkerung im selben Tempo wie bisher wird ein weit gestreutes Netzwerk aus mittelgroßen Städten die megacities entlasten.
Gerade wegen dieser zunehmenden Gewichtigkeit der Mittelstädte erscheint es mir notwendig diesen mehr Interesse zu kommen zu lassen und ihnen so zu einem größeren Selbstbewusstsein zu verhelfen.
13. August 2015 um 18:53
In Deutschland sind 88 Prozent der Bevölkerung Städter, dies ist der höchste Anteil weltweit. Aber nur 25 Prozent der Städter leben in Großstädten. Typisch für die deutsche Stadtlandschaft sind mittlere und kleine Städte. Besonders in den Neuen Bundesländern sind diese Mittel- und Kleinstände ausnahmslos vom Bevölkerungsschwund geprägt. Wie im Artikel beschrieben stehen Mittelstädte wirtschaftlich, infrastrukturell und kulturell im Schatten regionaler Zentren, sind „second cities“. Besonders Facharbeiter und junge Leute wandern in die Metropolen ab, da diese wirtschaftlich und auf die Kariere bezogen mehr Perspektiven bieten. Es herrscht Fachkräftemangel, welcher die Mittelstände wirtschaftlich uninteressant macht. Die Folge ist die Abwanderung von Firmen und damit steigende Arbeitslosigkeit. Dies bewirkt wiederum mehr Wegzug arbeitsfähiger Bevölkerung – ein Kreislauf, der sich immerzu verstärkt. Die Folge sind Bevölkerungsschwund und Vergreisung der Mittelstädte. Dies stellt die Städte vor enorme finanzielle Herausforderungen. Steuereinnahmen brechen weg, der benötigte Rückbau von Infrastruktur ist sehr kostenintensiv, das Versorgungsnetz wird durch den Rückbau großmaschiger. Das Image der Mittelstände wird dadurch zunehmend schlechter. Sie bieten kein idyllisches Landleben, aber auch nicht die wirtschaftlichen Vorteile der Großstädte. Es ist viel Kreativität dieser Städte gefragt, um ihr Image zu verbessern und im besten Fall aus dem Kreislauf auszubrechen. Dafür lohnt es sich, wie im Artikel genannt, nicht den Großstädten nachzueifern. Vielmehr sollte sich Mittelstädte auf regionale Werte besinnen und möglichst flexibel und zeitnah auf die Veränderung der demografischen Zusammensetzung reagieren.
4. September 2015 um 10:10
Mittelstädte sind zwangsläufig ein Stadium des Wachstumsprozesses. Es wird sie immer geben. An sich ist es ein günstiger Wandel, dass nun ein „gesteigertes […] Interesse an Städten und Stadtleben jenseits der Metropolen“, entsteht. Zum ersten Mal wird der Fokus auf im globalen Kontext eher unbedeutendere Städte gelegt. Was nun die Merkmale und Unterschiede von Mittelstädten zu Großstädten oder Metropolen aufdeckt, ist zwar interessant, aber für einen wirklichen Erfolg im Bezug auf eine Umstrukturierung oder Veränderung nicht ausschlaggebend. Stadt- oder Landflucht sind stets von gesellschaftlichen, ökonomischen Idealen und Zielen geprägt. So ist es vielmehr eine Umschichtung der Bevölkerungszahlen von der Klein- zur Mittel- zur Großstadt und umgekehrt. Ist nun die Frage, was kann eine Mittelstadt tun um den Status einer Großstadt zu erhalten?
Einwohnerzahlen sind kein Maßstab um die Bedeutung einer Stadt zu bemessen. Jede Stadt bildet einen einzigartigen geografischen Standort. Wie deren Vorzüge zu nutzen und deren Nachteile zu kaschieren sind bleibt jeder Stadt wohl selbst als Aufgabe zurück.
10. Juli 2017 um 11:38
Alles misst sich mit allem, auch die Stadt drängt zum Vergleich. Diese Gegenüberstellungen mit diversen Hierarchien gehen allerdings von der Gesellschaft und den Menschen aus. Ich denke, dass reale Erfahrungen und das Erleben der Städte – egal ob Megacity, Kleinstadt oder die hier angesprochene Mittelstadt – das Fundament für einen relevanten Vergleich sind. Ich selbst kann mich am besten auf die Stadt Salzburg beziehen und weiß auch aus Gesprächen mit Menschen, die nicht in dieser Stadt aufgewachsen sind, dass Salzburg als kleine Stadt wahrgenommen wird. Wie jede Stadt weißt sie viele Vorzüge auf, dennoch gibt es auch veränderungswürdige Aspekte der Stadt. Meiner Ansicht nach ist es stark spürbar, dass auch Salzburg den Drang zur Profilierung gegenüber anderen Kulturzentren aufweist. Es geht um ein Mithalten und darum Interesse zu wecken. Ohne Frage ist sie attraktiv für viele Menschen, was immer wieder aufs Neue der Andrang an Touristen aufzeigt. Nicht zu vergessen: sie gefällt auch den Leuten, die hier wohnen. Ein Mix aus Natur und dem typischen Flair ihrer Urbanität zeigt ihre Qualitäten. Kritische Meinungen beziehen sich auf ihren Konservatismus. Auch ich denke, dass ein Schritt mehr in Richtung creative city angesagt wäre. Die Möglichkeiten dafür wären mit Sicherheit gegeben. Egal ob sich die Stadt Mega- oder Mittelstadt nennt.