maxRIEDER – Mitsprachemodelle und Mitgestaltungsmodelle sind seit den wilden 70er Jahren in den Erfahrungen mancher Planer verankert. Zuerst wollen immer alle mitwirken, und mit der Zeit immer weniger, weil es gar nicht so spaßig ist, planerische Verantwortung zu übernehmen und Zeit unentgeltlich zu investieren.
Keine Frage Planungen werden tiefer und bedürfnisorientierter wenn Engagierte vor Ort und zukünftige NutzerInnen mitwirken. Wie lässt sich solche Mitwirkung gestalten und bei welchen Aufgabenstellungen kann man zielführend etwas erreichen.
Beleuchten wir einige unterschiedliche Beispiele wie Stadtplanung, Verkehrsplanung, Gestaltung des öffentlichen Raumes oder eines Bauwerkes.
In wiederkehrenden Rhythmus verlangen BürgerInnen bei Großprojekten oder Stadtplanungsprojekten Mitsprache und berechtigterweise Einsicht in Entscheidungsvorgänge. Meist nach medialer Berichterstattung und unmittelbaren Anrainerprotesten wird der Ruf nach Grundlagen, Bedürfniserhebung und „Zurück an den Start mit Deligierten“ populistisch gegen die sogenannten Experten und Politik laut. Was und wie können wir relevant und demokratisch einen Findungsprozess organisieren, wie kommen wir zu Deligierte, Teilnehmer und Mehrheitsbeschlüssen. „Mehrheitsbeschluss“ anstelle einer stillen nicht teilnehmenden Mehrheit, nicht bloss eine quantifizierte 0,1% Mehrheit, sondern vielmehr eine qualifiziertes inhaltliches Votum. Die unbeantwortbare Schlüsselfrage, wann stimmen ab? Am frühen Anfang eines Prozesses mit den individuellen Vorwissen und Vorurteilen oder am späten Ende eines Prozesses mit angereichertem Wissen und Wechselwirkungskenntnissen. Wir sind alle selbst irgendwo Anrainer. Kaum jemand will direkt und visavis eines permanent schatten- und windspendenden Hochhauses wohnen oder an einer leistungsstarken Transitroute, wie soll Partizipation bei und über Megastrukturen dabei von statten gehen, undenkbar. Wenn man den kleineren Maßstab heranzieht, das herkömmliche Bauwerk von 4-6 gründerzeitlichen Geschossen, welche Position nimmt der Anrainer dann ein? Die Geschmacksfrage wird zum zentralen Auseinandersetzungspunkt. Nicht die Sinnhaftigkeit, Nutzung, Langfristigkeit/Nachhaltigkeit, sondern die persönlichen ästhetischen Vorlieben von Harmonie, Proportion, Form/Gestalt werden schnell medialisiert. Die qualifizierten Aussagen von „häßlich, verschandeln, Block/Bunker/Kisten/Monster“ überwiegend und rasch posaunt. Nun das soll sein, Bauen ist doch ein öffentlicher Akt, aber darf ohne Argumentation und Vergleichswissen der geschriebene Leserbrief und journalistische Kolumme und Beitrag veröffentlicht werden. Sollte das nicht der Basena und dem mündlichem Austausch vorbehalten bleiben, haben wir nicht auch das Recht und die Verpflichtung zur Einsicht zu erfahren, warum denn etwas häßlich oder schön sei?
Wenn wir diese Erkenntnis des kommunikativen Austausches pflegen würden, damit wir den anderen auch verstehen würden und auf ihn/sie eingehen könnten, jenseits der Rhetorik, Polemik und Emotion, dann würden wir sehr viel weiter kommen im Austausch unserer Vorstellungen.
Dies bedeutet aber eine grundlegende Arbeit – Gedankenarbeit, nämlich sich entgegen reality-shows
Gedanken zum Zusammenhang und Verflechtung einer Gestaltung und Form zu machen und sich von Konditionierungen und Moden freizudenken ohne über die Arbeit und Vorschläge anderer (Gestalter/Architekten) herzufallen. Es mag schon sein, anbetracht der realisierten Baumassen, dass es dabei um überwiegenden zukünftigen Bauschutt handelt und Baukultur nur eine 3%-ige Ausnahme darstellt. Aber mit ziemlichem Instinkt findet die undifferenzierte Allgemeinheit/Öffentlichkeit des Boulevards immer diese Ausnahmeraritäten heraus, anstatt die Banalität des 97%-igen Baumistes profund zu kritisieren und abzumahnen.
Der Maßstab eines (meist privaten) Bauwerkes spielt dabei eine entscheidende Rolle für noch oder gerade nicht mehr überschaubare Dimensionen.
Wollen wir die Frage des Gemeinsamen noch andeuten. Wie verhält es sich bei der Erörterung des sogenannten öffentlichen Raumes der Siedlung, des Ortes oder Stadt. Die Straßen und Plätze, Wiesen und Parks, nutzbaren Infrastrukturen, Treppenanlagen, Kais und Böschungen würden uns einladen mitzugestalten, denn wir sind alle Finanzierer und potentielle Nutzer. Was stellen sich der 0-8-15 partizipativ-potentielle Nutzer&Finanzierer vor: Sitzbänke, Beleuchtung und Grün&Ruhe. Wohl etwas undifferenziert und beliebig, oder pointiert ausgedrückt: pensionierte Langeweile, passives Gaffen. Ironischerweise genießt dann der „weitgereiste“ Tourist in Udine, Laibach oder gar in Dubai, Miami, Mallorca, Kreta und Antalya das wilde und improvisierte Leben, aber im der verregneten „zu-hause“ seine weltkulturerbliche Ängstlichkeit und Veränderungsverweigerung.
Der private und öffentliche Anspruch zeigt also kontinentaltektonisch unterschiedliche Verwerfungen auf.
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Autor:
maxRIEDER
maxRIEDER.at
ArchitekturWasserStadtLandschaft&Gestaltungsprozesse
plant&baut&lehrt&mediert&reflektiert
29. April 2013 um 18:44
In puncto Bedürfnisse oder Vorstellungen zu Anlagen im öffentlichen Raum könnte man vielleicht auf einen grünen Zweig kommen.
Bei ästhetischen Fragen wird es komplex.
Was der eine als Schuhschachtel bezeichnet ist für den anderen moderne Architektur.
Allerdings stellt man sich als Nutzerin von diversen öffentlichen Räumen, beispielsweise Furtwänglerpark in Salzburg die Frage wohin denn die 780.000€ für den Park verloren gegangen sind.
Japanische Schnurbäume entschädigen die ursprünglich geplante Freilegung des Almkanals!
Was Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler erfreut, entspricht nicht jedermanns Zufriedenheit.
7. Mai 2013 um 18:53
Mitsprache an Bauprojekten erachte ich, zumindest an Projekten, welche viele Menschen betreffen ( zB. Parks oder Wohnsiedlungen ) als durchaus sinnvoll.
Wichtig finde ich jedoch, dass kompetente Experten, die Entscheidungen fällen und diese auch begründen können, hinter den Projekten die Planung und das Management leiten und überwachen. Um die Bedürfnisse und Wünsche der Bürger so gut es geht zu befriedigen sind Fachwissen und Kenntnisse in den erforderlichen Bereichen einfach unschätzbar wichtig.
Gestaltung des öffentlichen Raums betrifft natürlich alle Menschen die in dem betroffenen Gebiet wohnen, zumindest diesen Menschen sollte das Mitspracherecht nicht verwehrt werden. Was jedoch zum Problem werden könnte sind die unterschiedliche Ansichten der besagten Anrainer. Wenn dann keine Einigung zustande kommt stehen alle und vor Allem die Verantwortlichen, also die Projektleiter vor einem großen Problem. Die einen sind mit dem Umfang des Projekts vielleicht nicht einverstanden, anderen misfällt die Dauer die das Projekt in Anspruch nimmt und wieder andere können sich auf triviale Entscheidungen wie den Anstrich des Gebäudes womögich nicht einigen ( Sofern die Mitsprache überhaupt soweit reicht ). Hier muss dann doch, hinsichtlich des Mitspracherechts der Bürger, klar eine Grenze gezogen werden.
Schlussendlich sollte dem verantworlichen Architekten oder Planer dann doch die nötige Entscheidungsgewalt zustehen, auf Wünsche oder Bedürfnisse der Anrainer sollte soweit es geht Rücksicht genommen werden. Wenn dann im Idealfall eine Situation entsteht in der jeder weitgehend mit den vorgeschlagenen Maßnahmen zufrieden ist, so zahlt sich eine diplomatische Vorgehensweise umso mehr aus.
18. Mai 2013 um 14:16
Aus legitimen Gründen wäre eine Partizipation im Bereich Architektur bis zu einem gewissen Grad sicherlich wünschenswert. Allerdings bin ich der Meinung, zu viele Köche verderben den Brei. Ein ästhetisch gefälltes Urteil ist immer subjektiv und somit wiederrufbar. Durch einen intensiven kommunikativen Austausch zwischen Architekten, Bauträgern, Stadtplanern und Rezipienten könnten Vorbehalte und Ängste abgebaut werden. Selbstverständlich in Anbetracht, dass selbst Architektur es nicht jedem recht machen kann. Architektur erfüllt viele Funktionen, nicht nur existenzielle und genau das macht sie meiner Meinung nach so spannend. Ein Austausch über das Thema Architektur jenseits von Rhetorik, Polemik und Emotion, ist das mit Menschen überhaupt möglich?
13. Juni 2013 um 08:44
vom mitspracherecht wird, laut mir, immer dann gebrauch gemacht, wenn sich die front nicht einigen kann und so sich die hände in unschuld waschen kann, die macht wird dem volk übergeben. die bedürfnisse eines einzelnen menschen können bei gemeinschaftsprojekten nicht efüllt werden, würden diese erfüllt werden hätte, dieser einzelne, sich selbst in die tasche gearbeitet.
zu den parkanlagen:
es ist eigentlich ein frevel, dass die politik/ architekten/ medien, den menschen eingebläut hat, das wir paranlagen gestallten müssen, von landschaftsarchitekten, seit wann muss ich die natur gestaltten?? vielleicht sollten sich die umwohnenden personen, den park/ das stücken wiese mit wald, selbst gestallten, einer baut seinen salat an, die kinder bauen ein haus, mit werkzzeug oder nur mit der hand wird ein loch gegraben, äste abgeschnitten, die natur wächst nach!!!
aber leider ist die gesellschft so konditioniert auf gestalltung und planung, dass für „wildnis“ und chaos kein platz ist.
17. Februar 2015 um 15:29
Mitspracherecht – gerade bei der Architektur empfinde ich dies als äußerst spannendes und wichtiges Thema. Wichtig vor allem deshalb, da man immer wieder von Bauprojekten hört wo über die Wünsche und Sorgen der Anrainer und Betroffenen wie mit einer Dampfwalze über neuen Asphalt drübergefahren wurde.
Spannend, weil man es in der Regel nicht jedem recht machen kann und eine gewisse Bereitschaft für Kompromisse daher nun einmal die Vorraussetzung für eine gelingende Gestaltung von Lebensraum ist. Doch, wie sie bereits gesagt haben, die Bereitschaft der Leute, sich über einen längeren Zeitraum intensiv und unentgeltlich mit Planungen und bautechnischen Details auseinanderzusetzen, ist wohl meistens eher gering. Es scheint so als rege man sich lieber im Nachhinein lautstark über unerwünschte Folgen auf, als von Anfang an dafür zu sorgen, dass es nicht so weit kommt. Meiner Ansicht nach wäre es vor allem wichtig den Leuten gegenüber deutlich zu kommunizieren, dass sich der Aufwand lohnt und dass sie auch tatsächlich etwas bewirken können – jedoch auch, dass es letztendlich nichts bring in den Medien immer nur über Vorhaben zu „schimpfen“. Wenn ein Hochhaus vor dem eigenen Wohnblock gebaut werden soll, welches einem offensichtlich zu viel Tageslicht wegnehmen würde, mag dies wohl offensichtlicher sein, als wenn „bloß“ ein neuer Park angelegt oder ein alter verändert werden soll, doch letztendlich kann letzterer ebenfalls zu einem wichtigen Lebensraum werden, oder aber an Qualität einbüßen.
Ich gebe Ihnen jedenfalls vollkommen recht in dem, dass ein mündlicher Diskurs stattfinden muss. Schriftliche Beiträge in denen nur über Projekte hergezogen wird und diese ohne Erklärungen und ohne Differenzierung zwischen objektiven Mängeln und persönlichen Vorstellungen unhinterfragt veröffentlicht werden, helfen niemanden und schaukeln nur die Emotionen hoch.
Dafür wäre es jedoch vermutlich wichtig, eine neue Kultur des Mitgestaltens zu etablieren. Der Vergleich hinkt vielleicht etwas, doch ich als unerfahrener Laie habe zumindest die Vermutung, dass sich bei manchen Leuten auch bei öffentlichen Bauprojekten eine Man-kann-ja-eh-nichts-bewirken-Mentalität eingeschlichen hat, so in bei der Politik. Vielleicht ist dies aber auch nur ein Trugschluss. Da ich persönlich noch nie bei einem Diskurs über ein Bauvorhaben mitgewirkt habe, kann ich dazu nicht mehr sagen. Auf der anderen Seite stellt sich natürlich schon auch die Frage WER dann wieviel Mitspracherecht haben darf, was auch immer von den Kompetenzen der jeweiligen Leute abhängen muss, um eben zu verhindern, dass es zu endlosen Grundsatzdebatten über unterschiedliche Geschmäcker kommt.
Zuweilen wäre etwas mehr Mitspracherecht jedoch womöglich wirklich gut. Was mich persönlich interessieren würde wäre die Frage, was z.B. Studenten beim Bau des Uniparks (welcher ja im Rahmen eines internationalen Architekturwettbewerbs geplant wurde) so an Mitspracherecht hatten. Ich persönlich kenne äußerst viele Studierende und auch so manche Bedienstete, die mit dem Unipark sehr unzufrieden sind, nicht (nur) aus ästhetischen Gründen, sondern u.a. auch aufgrund von Platzmangel und fehlenden oder unzureichenden Aufenthaltsmöglichkeiten.