Martin Oberascher – Apriori sei vorweggenommen das gewisse Ideen sicher auf sozioökonomische Aspekte genauer untersucht werden müssen. Dennoch ist es wichtig diverse städtebauliche Szenarien und mögliche Entwicklungsmöglichkeiten zu formulieren, um nicht nur die allerdringendsten Probleme einer Stadt in Angriff zu nehmen, sondern ein weiterführendes langfristiges Stadtentwicklungskonzept zu überlegen.
Standpunkt: „Die überalternde Gesellschaft diktiert in großem Maße die Entwicklungsmöglichkeiten einer Stadt. Den jüngeren Generationen sollte aber besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden um auch ihre Bedürfnisse und Interessen in einer Stadtentwicklung zu integrieren. In den meisten Fällen haben die Jungen nur wenig Zeit sich neben Beruf und Ausbildung für die Gestaltung ihres städtischen Umfeldes zu engagieren, sie sind jedoch von den Entscheidungen der älteren Generation hauptsächlich betroffen, da sie schlicht weg noch länger in dieser Stadt leben müssen!“
Die vor einiger Zeit heftig geführte Diskussionen über Bauvorhaben in der Altstadt (Rehrl Platz, Priesterhausgasse, usw.…) haben exemplarisch vorgezeigt wie Stadtentwicklung verhindert werden kann (egal ob Wohnbau, Tunnel oder Kino). Aber eigentlich ist es schockierend, wie schon so kleine Eingriffe in der Altstadt zu so erheblicher Aufruhr führen können. Es zeigt sich immer wieder, dass mit apokalyptischen Prophezeiungen jeglicher Entwicklungsprozess sehr leicht zu Fall gebracht werden kann. Es wird versucht die breite Öffentlichkeit zu polarisieren zwischen böser Zeitgenössische Architektur und angepasst traditioneller Bauweise! Dies hat einen fatalen Innovations-Stopp zufolge. Es werden damit nur mehr zwei Szenarien fokussiert: Die Altstadt als Museum, und alle anderen Stadtteile sollten ihren Dorfcharakter behalten!
Daraus folgert sich, dass die Altstadt vollkommen aus dem Planungshorizont verschwinden wird. Für die funktionale und soziale Durchmischung der Altstadt ist das aber sehr gefährlich, da auch jetzt schon in der Altstadt größten Teils nur mehr die Erdgeschoßzone als tourismusorientierte Verkaufsfläche genutzt wird. Ein erheblicher Teil der Obergeschoße in der Altstadt steht aber leer. Das Zentrum verödet! Bestes Beispiel dafür ist Venedig; eine Stadt die nur mehr für Touristen funktioniert, ist ein Museum, eine reine Kulisse aber sicher keine lebendige pulsierende Stadt. Dies kann auch nicht im Sinn der Altstadterhaltung, Bundesdenkmalamt und ICOMOS sein, da moderne Denkmalpflege auch funktionale Adaptierungen vorsieht die sich nicht an die historisch gewachsene Bausubstanz anbiedern.
Wir brauchen den Tourismus als eine unserer wichtigsten Einnahmequellen. Wir sollten aber auch unsere Gäste nicht für dumm verkaufen und die Stadt beziehungsweise das Land unter dem Motto „Weil’s den Gästen halt gefällt“ zu einem kitschigen Klischee verkommen lassen. Richtiger Weise sollte ein Kulturland seine Besucher in einem lebendigen Umfeld empfangen das sich auch auf eine selbstbewusste, zeitgenössische Baukultur stützt.
Wenn der Wunsch der öffentlichen Mehrheit wirklich darin besteht eine stadtentwicklungsmäßige „Käseglocke“ über die Altstadt zu stülpen, dann sollte man auch klar darlegen, dass sich als logische Konsequenz ein neues Stadtzentrum entwickeln wird. Dieselbe Öffentlichkeit muss sich dann auch im Gegenzug dazu bekennen dieses neue Stadtzentrum mit allen politischen und wirtschaftlichen Mitteln zu fördern.
Der Prozess hat schon begonnen!
Die Entwicklungsachse Lehen – Bahnhof – Schallmoos
Wenn man in einer Stadt wohnt kann man auch einen gewissen städtischen Charakter als erstrebenswert ansehen. Dazu muss man der Ignaz-Harrer Str. einmal mit all ihren Schwierigkeiten ein Lob aussprechen! Es ist die einzige Straße in der man sich wie in einer richtigen Stadt vorkommt. In den meisten anderen Stadtteilen fühlt man sich, wie oben erwähnt, entweder wie in einem Museum oder in einem Dorf! Dennoch ist es wichtig an diesen Stadtteilen weiter zu arbeiten um die Attraktivität zu steigern. Eine gewisse Dichte ist für ein Stadtzentrum unumgänglich. Man braucht eine Frequenz von Personen, die kontinuierlich über alle Tageszeiten verteilt ist, um ein urbanes Lebensgefühl zu schaffen.
Sollte es gelingen auf der Entwicklungsachse Lehen – Bahnhof – Schallmoos eine gute Durchmischung der Lebensbereiche: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeit, Sport, Bildung, Forschung und Kultur zu erzielen, dann kann man davon ausgehen, dass in den nächsten zwanzig Jahren ein neues pulsierendes Stadtzentrum heranwachsen wird, dass nichts mit „Dorf in der Stadt“ und „Museum“ zu tun hat, sondern ein wirklich mondänes urbanes Lebensgefühl vermitteln kann.
Momentan ist die Funktionsdurchmischung noch viel zu monoton. Die neu entstandenen Anlagen beinhalten zu einem überwiegenden Teil Wohnungen. Es ist essentiell das wichtige kulturelle Einrichtung (z.B.: Museum, ev. Landestheater, Kino oder ähnliches) mit starkem Anziehungsfaktor ebenfalls dort situiert werden (Galerie Fotohof und Stadtbibliothek sind erst der Anfang).
Die Stadtteile werden sich mit Sicherheit verändern. Den direkten Anrainern sollten aber die Ängste genommen werden und die Möglichkeiten und Vorteile einer zentralen Innerstädtischen Lage erklärt werden. Die mit Sicherheit ein interessanteres, städtisches Gefüge bilden als die vorhandene monotone Wohnbebauung die in den betroffenen Stadtteilen vorherrscht.
„Die Höhe macht’s möglich!“ Einer der markantesten Kostenfaktoren eines guten Baulandgrundstücks ist die gute Aussicht und eine zentrale Lage! Diese Faktoren sind zu Recht ein wesentlicher Bestandteil der Wohnqualität. Da man in der Altstadt die Bauhöhe natürlich an den historischen Bestand anpassen muss, hätte man hingegen in anderen Stadteilen den Vorteil dass man aus ökonomischen und ökologischen Gründen die Bauhöhe erhöhen könnte. Dies sollte natürlich nicht wahllos geschehen, sondern pointiert rund um die neuen Stadtteilzentren, immer mit der Auflage, das mindestens die Erdgeschoßzone einer geschäftlichen Nutzung zugeordnet werden muss. Ziel ist die Schaffung von besonderen Lebensqualitäten in Stadtteilen mit höherer Dichte und urbaner Platzgestaltung dazwischen!
Eines der signifikantesten Probleme der Stadt ist die Zersiedelung. Ein Phänomen, das in Folge eine Vielzahl an Problemen verursacht. Die Verkehrsproblematik, die Kosten für die Pendler, Zerstörung von Kulturlandschaft um nur einige zu nennen. Die Gründe warum so viele Menschen in die Umlandgemeinden ziehen, aber trotzdem in der Stadt arbeiten liegen nahe. Zum einen ist es ein überteuerter Wohnungsmarkt, der es schwierig macht sich in der Stadt anzusiedeln. Darüber hinaus ist ein traditionell geprägter Heimatbegriff von einem trauten Heim (= Einfamilienhaus) sehr stark in der Gesellschaft verwurzelt. Man sollte sich zuerst damit auseinandersetzten, wie in einer künftigen Gesellschaft Wohngemeinschaften aussehen werden. Es gibt hierbei einige Faktoren die einen wichtigen Stellenwert einnehmen können. Die Bewohner sollten sich mit ihrer Stadt, ihrem Bezirk, ihrem Block, ihrer Wohnanlage und schließlich auch mit ihrer eigenen Wohnung identifizieren können. Eine gewisse Individualität oder einen eigenen Charme / Charakter sollte jeder der vorab angeführten urbanen Einheiten aufweisen.
In der öffentlichen politischen Diskussion hat sich in letzter Zeit eine sehr unentschlossene Haltung in der Regionalentwicklung breit gemacht. Weiterführend fehlt aber auch eine klare zukunftsweisende Positionierung der Stadt Salzburg im übergeordneten europäischen Kontext. Zwei wesentliche Bereiche dieser Thematik sind das zukünftige europäische Verkehrsnetz und die demografische Veränderung der Region.
Den ersten Themenkreis betreffend, ist vor allem die Wichtigkeit der europäischen Magistrale und deren aktive Mitgestaltung hervor zu heben. (Das ist der ost-west Hochgeschwindigkeits- Eisenbahnkorridor, der Paris via Strasbourg – München – Wien mit Budapest verbindet.) Es wird für zukünftige mitteleuropäische Städte von entscheidendem Wettbewerbsvorteil sein binnen kürzester Zeit in möglichst viele Metropolen Europas zu gelangen. Salzburg verfügt diesbezüglich über keine schlechte Ausgangslage aber der Anschluss an das überregionale Städtenetzwerk muss unbedingt forciert werden. Nur dann kann eine Abwanderung der jungen Bevölkerung und eine dementsprechende Überalterung der regionalen Gesellschaft längerfristig verhindert werden. Dieses Konzept eines zusammenwachsenden Europas (in 4 Std Reisezeit sind 35 Mio. EU Bürger erreichbar!) sollte auch regional weitergedacht, und folglich eine optimale Anbindung der Umlandgemeinden geschaffen werden. Aus dieser Situation heraus lassen sich auch weitere Entwicklungsszenarien bezüglich des Salzburger Flughafens neu erörtern. Es ist maßgeblich den Flughafen in das regionale S-Bahnnetz einzubinden. Demnach könnte ein neuer S-Bahnarm „Süd“ vom Europark über Flughafen (mit Anbindung Bad Reichenhall) nach Salzburg Süd angedacht, oder die vieldiskutierte Weiterführung der Lokalbahn – Zentrum – Flughafen endlich in Angriff genommen werden. Alternativ dazu wäre nur ein direkter Hochgeschwindigkeitsanschluss (via Magistrale) an den Münchner Flughafen. Alle diese Maßnahmen würden eine Standortoptimierung erzeugen und gleichzeitig die angespannte Verkehrsproblematik in der Innenstadt verbessern. Dass ein ringförmiger Ausbau des städtischen Liniennetzes rund um die Salzburger Stadtberge, ebenfalls zur Entlastung der Innenstadt beitragen würde, sei nur am Rande erwähnt.
Bei dem zweiten Themenkreis demographische Wandlung der Region sollte nicht außer Acht gelassen werden das ein erheblicher Teil der jungen Generation nach ihrer Ausbildung in größere Städte abwandern. Es könnte auch in Zukunft dem traditionellen Bild des stationären Lebens- und Arbeitsmittelpunkt, das Konzept des Stadtnomaden gegenübergestellt werden wobei wiederum Salzburg bezüglich seiner Lebensqualität gute Ausgangsbasis hätte, aber die oben erwähnte optimale überregionale Städteverbindung eines der wichtigsten Faktoren wäre um junge Generationen in unsere Region zu bekommen. Davon abgesehen befinden wir uns momentan noch in der glücklichen Situation, dass Menschen aus anderen Ländern in unsere Region zuwandern wollen. Dieses Phänomen ist zyklisch und es wird nicht dauerhaft anhalten. Diesen Umstand sollten wir nützen und es wäre wichtig diesen Menschen jede erdenkliche Unterstützung zukommen zu lassen, um sich dauerhaft in unserer Region zu etablieren. Da sie einen wichtigen wirtschaftlichen und kulturellen Beitrag in unsere Gesellschaft geben werden.
Es wäre also an der Zeit die Weichen für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung zu stellen, um eine pluralistische Gesellschaft auch in Zukunft in Salzburg zu fördern.
Autor:
Martin Oberascher, Architekt, Wien-Salzburg
www.soma-architecture.com
26. Februar 2014 um 15:11
lieber christian, wie gestern angesprochen, anbei ein artikel, salzburg betreffend, im potral KOOPERATIVER RAUM. lg karin
26. Februar 2014 um 22:10
auweia, das wird ein heisse Diskussion – den Salzburgern und Salzburgerinnen zu erklären, dass sich was verändern soll, kann nur auf Widerstand stossen. Heftigste! aber genau deshalb BRAVO Herr Arch. Oberascher!
3. März 2014 um 09:17
Vorsicht, kann zynisch klingen bzgl Ignaz-Harrer-Straße, denn da will eigentlich niemand in die erste Reihe hinziehen….
Im Prinzip ist fix beschlossen, dass die Innenstadt (Altstadt) de facto ein Museum sein und bleiben soll, da ist meiner Meinung nach der Zug ohnehin abgefahren.
In der Weiterentwicklung einer Kulturerbestadt wird meiner persönlichen Meinung ein Asekt komplett ausgelassen, deshalb auch die Probleme mit dem Rehrlplatz: Kultur !!!! Der Fehler ist, in der Architektur nur mehr Raumoptimierung zu sehen, dementsprechend waren die vorgelegten Entwürfe befreit von Kultur und sind – leider erst von der Öffentlichkeit und nicht gleich von den Zuständigen – abgelehnt worden. Was aber, wenn ein renommierter Künstler eingebunden worden wäre und dem Gebäude Kultur (Fresko, Design,….) mitgegeben hätte? Dann wäre zwar eine Diskussion aber wohl kaum eine Ablehnung möglich gewesen……
14. März 2014 um 09:25
Lieber Martin,
folgender Vortrag passt sicher zum Thema:
falls Du nächste Woche in Salzburg bist…
Vortrag von Arch. Paul Schweizer über Nachverdichtung im Bereich leerstehender oder fast leerstehender EF-Häuser. Da werden sicher einige Deiner Themen angesprochen.
Pfarrhof Marktgemeinde Oberalm
Montag, 17.03.2014 19.00 Uhr
27. April 2014 um 18:19
Es wäre also an der Zeit die Weichen für eine nachhaltige Stadt- und Regionalentwicklung zu stellen, um eine pluralistische Gesellschaft auch in Zukunft in Salzburg zu fördern.
weichen – haupt- bzw eigenschaftswörtlich gebraucht – ist in Salzburg ein hartes Wort und nachhaltig ein Modewort
weil in Salzburg die Stadtentwicklung seit Jahrzehnten von einer nicht vorhandenen Stadtplanung, von wirtschaftlich übermächtigen – und politisch durchwobenen – Genossenenschaften und einem Gestaltungsbeirat mit Hang zum internationalen Stil geprägt und betrieben wird
ein bemerkenswert detaillierter aufruf der in seiner Inhaltsschwere an den politischen Stakeholdern und ihren Netzwerken wie immer vorbeizischen wird (?)