Otto Kapfinger an das Magazin „Profil“ – Dietmar Steiners Replik (profil 16) auf Peter Menasses Gastkommentar (profil 15) war noch haarsträubender als seine vorhergehende Hymne auf das Wertinvest-Projekt (profil 14). Allein sein Satz, „dass die Wünsche des WEV (Wiener Eislaufverein, Anm. d. Red.) nur erfüllt werden können, wenn der Apartmentturm errichtet wird“, auf dem sein Argument zentral aufbaut, entbehrt jeder Grundlage. Der WEV ist dort seit Jahrzehnten langfristig unkündbarer Mieter. Wenn der neue Grundeigentümer dort neu bauen will, verlangt der ohne Subventionen bestens funktionierende Verein nichts anderes, als dass die Eisfläche in heutiger Größe samt den vom Verein betriebenen Infrastrukturen – Garderoben, Büros, Sanitäranlagen, Technik usw. im nötigen Umfang wiederhergestellt werden. Eine zusätzliche kleine Trainingshalle für Eishockey hat der WEV schon. Eine größere wäre im neubebauten Gelände Option – und wenn, dann im Tiefbau situiert. Das ist alles.
Wertinvest und Dr. Dr. Tojner hatten von Anfang an ganz andere Ziele. Laut Auskunft aus der Wiener Baudirektion begann man mit Aufstockungsplänen auf dem Hotel für 2-3 Etagen Luxusapartments schon bevor das InterContinental in Tojners Besitz war. Das wären jene rund 4000m2 Flächengewinn gewesen, die allein 2018 einen Verkaufswert von 40-50 Millionen Euro darstellen würden (geschätzt nach heutigen Preisen für Dachausbauten in Zentrums-Lage mit Stadtblick). Und das sind im aktuellen 24stöckigen Turmprojekt exakt jene 10 bis 12 obersten Etagen, die eine singuläre Panoramasicht über Wien bieten würden, es wäre ein Flächengewinn über die gültige Widmung hinaus (die im heutigen Bestand weitaus nicht ausgenützt ist!), der dann wieder mit an die 50 Millionen Wert (bei geschätzten Gesamtbaukosten von min. 220 Millionen) zu veranschlagen wäre (für potente Käufer bzw. Anleger, die dort garantiert nicht wohnen werden!), und es wäre jenes Faktum, das eine Änderung des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes „im öffentlichen Interesse (!)“ erforderte – und weiters die eklatante Korrektur bzw. die Aufkündigung des Vertrages mit der UNESCO über den Status des Kernstücks von Wien als „Weltkulturerbe“.
Und das, will uns Herr Steiner weismachen, „um die Wünsche des WEV zu erfüllen“ – grotesk! Davon abgesehen: kein Wort von ihm dazu, dass die Wettbewerbsentscheidung nach den Richtlinien der Architektenkammer – deren Zustimmung zum Verfahren laut Abkommen mit der Gemeinde für umwidmungsträchtige Projekte dieser Größe bindend ist –, unkorrekt verlief. Denn das Siegerprojekt überschritt als einziger der in die engere Wahl gelangten Entwürfe die gültige Grundgrenze an der Lothringerstraße und beansprucht rund 1000m2 öffentlichen Grund, um eben den Turm und eine dann quergestellte Freifläche für den WEV unterzubringen. In jedem normalen Architekturwettbewerb bedeutet eine solche Überschreitung das Ausscheiden in der ersten Runde.
Schließlich: Als Bekehrung „vom Saulus zum Paulus“ hat Steiner seine Wende vom Turm-Gegner 2013 zum Turm-Fan 2014 selbst vor Zeugen bezeichnet, ohne dafür eine sachlich stichhaltige Begründung zu liefern. Dafür bietet er dem Preisträger Isay Weinfeld Ende Mai im AzW mit einer Personalausstellung das erstklassige lokale Entree. Solche Benutzung einer öffentlichen Institution zur Promotion privater Interessen ist in Wien bisher einmalig.
Um Argumente und fachliche Substanz hat sich hingegen die breite Gruppierung von Wiener Architekturinstitutionen und profilierten Fachleuten bemüht. In einer siebenseitigen Expertise forderten sie die offenbar willfährige Stadtpolitik auf, das Projekt in dieser Form auf keinen Fall zum Anlass einer Umwidmung zu nehmen. Es geht überhaupt nicht „aus Prinzip“ gegen ein Hochhaus im innerstädtischen Bereich. Aber dies wäre ein Präzedenzfall, bei dem ein Hochhaus für Luxusbedarf an einer empfindlichen Stelle des Stadtgefüges vorwiegend als private Immobilienspekulation über alle aktuellen Rechtsgrundlagen sowie über gesellschaftliche und fachliche Gleichheitsgrundsätze hinweg durchgeboxt wird. Es wäre ein Präzedenzfall für viele ähnliche derzeit in Wien laufende Projekte, die in der Fachwelt äußerst umstritten, für die betroffene Bevölkerung und Öffentlichkeit viel zu wenig transparent sind. Es wäre dann tatsächlich die in den PR-Slogans des Investors beschworene „landmark“: für den ideellen Bankrott rot-grüner Stadtpolitik.
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Autor: Otto Kapfinger – Architekturpublizist
16. Mai 2014 um 09:21
Vielleicht ist in einem solchen Fall die Notwendigkeit einer vorausdenkenden Stadtplanung offensichtlich geworden und führt dazu, dass diese auch und vor allem Grundlagen erarbeitet, an die sich die Interessensgruppen bei Projektentwicklungen zu halten haben, die also auch politisch verbindlich sind.
Das erscheint gegenwärtig, wie ein Kampf gegen Windmühlen. Schade, dass nicht einmal Interessensgruppen Haltung bewahren und, wenn auch oft vergeblich, eigene Grundsätze in aussichtslosen Verfahren verteidigen, anstatt das Feigenblatt für ein verfahrenes Verfahren zu sein.
Wer auch immer geglaubt hat, dass ein solcher Wettbewerb ein städtebaulich verträgliches Resultat ermittelt, sieht sich jetzt mit einem Projekt konfrontiert, das einen Fehler im Stadtgefüge, die Scheibe, mit einem Turm zuspitzt. Dem Investor kann in diesem Zusammenhang nicht der Vorwurf gemacht werden, er wolle die Rendite seiner Investition maximieren, denn das war von Anfang an klar.
Ich nehme an, dass eine Überschreitung der Vorgaben durch die Wiener Stadtpolitik durchgewunken würde. Wobei die derzeitige Maximalforderung des Wettbewerbssiegerprojekts mit kleinsten Abstrichen und/oder Kompensationen Grundlage der Widmung würde. Der Weltkulturerbestatus als letzte Festung wird damit auch erhalten bliebe.